Tagesanzeiger: Schaffhauser SVP-Ständerat fordert Atommüll-Exporte

Radioaktiver Abfall soll in der Schweiz lagern, sagt das Gesetz. Der Schaffhauser Politiker Hannes Germann kämpft dagegen an – nicht ganz uneigennützig.

von Jürg Ackermann

Das Kernenergiegesetz spricht eine deutliche Sprache: Die Schweiz muss den aus den Kernkraftwerken anfallenden Atommüll vor der eigenen Haustür entsorgen. Die Bewilligung von neuen AKW wurde schon vor Jahrzehnten an die Endlagerung des radioaktiven Abfalls im eigenen Land geknüpft.

Für den Schaffhauser SVP-Ständerat Hannes Germann ist diese Gesetzesbestimmung nicht in Stein gemeisselt. Er will in der Sommersession eine Interpellation einreichen und damit die Diskussion über einen Atommüllexport neu lancieren. Dass noch kein Land – ausgenommen Finnland – einen definitiven Standort für die Endlagerung beschlossen hat und sich somit die Bereitschaft, fremden Atommüll zu lagern, in Grenzen halten dürfte, schreckt Germann nicht ab. Es sei vorstellbar, dass sich dereinst eine abgelegene Region in Europa finden lasse, welche sich bereit erkläre, den Atommüll gegen viel Geld aufzunehmen – auch als Wirtschaftsfaktor.

Endlager Benken umstritten
«Es ist ein Wahnsinn, Brennstäbe in einer dicht besiedelten Region wie Schaffhausen lagern zu wollen.» Es zeichne sich schon jetzt ab, dass die Schaffhauser Himmel und Hölle in Bewegung setzen würden, sollte dereinst Benken als Standort für das Endlager bestimmt werden. Die Nagra ist derzeit daran, einen möglichen Standort für die Endlagerung zu evaluieren. Ein Entscheid soll bis spätestens 2020 fallen.

Germann unter Druck
Der Hintergrund für Germanns Vorstoss ist nicht ganz uneigennützig: Der SVP-Ständerat steht in seinem Heimatkanton unter Druck. Die Energie- und Endlagerdebatte dürfte zum zentralen Thema im Schaffhauser Ständeratswahlkampf werden, zu dem möglicherweise auch der erklärte Atomkraftgegner Thomas Minder antritt. Der Vater der Abzocker-Initiative hatte unmittelbar nach der Katastrophe in Fukushima ganzseitige Inserate in den Schaffhauser Nachrichten geschaltet, in denen er neben Germann insbesondere FDP-Ständeratskandidat Christian Heydecker an den Karren fuhr. AKW-Befürworter Heydecker hatte verschiedentlich erklärt, er würde auch ein Endlager Benken in Kauf nehmen, sollte die Nagra zum Schluss kommen, Schaffhausen sei der am besten geeignete Standort. Das sei verantwortungslos, meint Minder. «Wir Schaffhauser wollen in unserem ‹Paradies› kein Endlager.»

Dass Germann für seinen Vorstoss eine parlamentarische Mehrheit findet, scheint derzeit unwahrscheinlich. Selbst in FDP-Kreisen heisst es, man setze weiterhin auf eine Lösung im Inland. Dennoch dürfte die Diskussion über die Lagerung des hoch radioaktiven Atommülls Auftrieb erhalten, sollten Bundesrat und Parlament demnächst den Atomausstieg beschliessen. Politiker wie SP-Energieexperte Eric Nussbaumer (BL) schliessen nicht aus, dass die Endlagerung eines Tages zusammen mit anderen europäischen Staaten gelöst werden könnte. «In einer globalen Welt ist nichts undenkbar», sagt Nussbaumer. Voraussetzung sei aber klar ein Beschluss zum Atomausstieg. «Es kann natürlich nicht sein, dass wir unseren Dreck in andere Länder abschieben und so weitermachen wie bisher.» Experten rechnen damit, dass die Schweizer AKW bis zum Ende ihrer Laufzeiten rund 100 000 Kubikmeter radioaktives Material produzieren, was dem Volumen von 130 Einfamilienhäusern entspricht. Rund eine Million Jahre wird es dauern, bis die tödliche Strahlung abgebaut ist.