Während der Coronakrise sollen Lehrabschlüsse ohne entsprechende schulische Prüfung zulässig sein. Dort wo möglich, sollen praktische Prüfungen durchgeführt werden. Das schlagen verschiedene Berufsbildungsakteure vor.
von: sda/mco
Der entsprechende Lösungsvorschlag für das Qualifikationsverfahren in der beruflichen Grundbildung wurde am Dienstag bis am Freitagmittag in Konsultation geschickt. Danach soll das Spitzentreffen Berufsbildung, zu dem neben Vertretern des Bundes und der Kantone auch die Sozialpartner gehören, einen Antrag zuhanden des Bundesrats machen. Eine Einigung soll noch vor Ostern erfolgen.
Bisher herrscht ein Wildwuchs an vorgeschlagenen Massnahmen. Die Berner Bildungsdirektorin beispielsweise will Lehrabschlüsse und Maturazeugnisse auch ohne Prüfung ausstellen. Andere Kantone haben noch gar keine Pläne, die Erziehungsdirektorenkonferenz (EDK) kommt zu keinem Ergebnis.
Note des ersten Semesters zählt
Der vorliegende Entwurf wurde von einer Arbeitsgruppe des breit abgestützten Steuergremiums Berufsbildung 2030 erarbeitet. Das übergeordnete Ziel: Berufslernende sollen trotz Coronakrise wie in den Vorjahren ihren Lehrabschluss mit einem eidgenössischen Fähigkeitszeugnis beziehungsweise einem eidgenössischen Berufsattest realisieren können.
Im schulischen Bereich – Berufskenntnisse und allgemeinbildender Unterricht – sollen in diesem Jahr keine Prüfungen stattfinden. Der Abschluss soll sich auf die bis zum Ende des ersten Semesters 2019/2020 erzielten Semesterzeugnisnoten stützen.
Eine Prüfung der praktischen Ausbildung soll, dort wo möglich, stattfinden. Pro Berufsfeld soll ein schweizweit einheitliches Verfahren definiert werden. Die Eingabe soll von einer kantonalen Kommission geprüft und vom Bund genehmigt werden. Wenn keine praktischen Prüfungen möglich sind, wird zumindest eine Beurteilung der berufspraktischen Kompetenzen durch den Lehrbetrieb eingeholt.
Mehr Klarheit bis Ende Woche
Ziel sei, dass alle Berufslernenden ihr Fähigkeitszeugnis oder ihr Berufsattest erhielten, wenn sie über die entsprechenden Kompetenzen verfügten, heisst es in der Mitteilung der Verbundpartner. «Sollte dies aufgrund der besonderen Umstände bei Einzelnen nicht möglich sein, so sorgen die Kantone für Nachprüfungen.»
Auch für Kandidierende der Berufsmaturität sei «eine der Situation angepasste Regelung» zu finden. Diese werde sowohl im Vorgehen als auch in der Umsetzung koordiniert mit der gymnasialen Maturität und der Fachmaturität. Die gemeinsam mit der Schweizerischen Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren (EDK) erarbeitete Lösung werde kommuniziert, sobald die Arbeiten abgeschlossen seien. Schon Ende Woche sollen schweizweit gemeinsame Grundsätze vorliegen.
«Die Jungen müssen ihre Abschlüsse bekommen», hatte Hannes Germann (SVP/TG), Präsident der ständerätlichen Bildungskommission, am Montag der Nachrichtenagentur Keystone-SDA gesagt. Wichtig sei eine einheitliche Lösung. «Es darf keinen Flickenteppich geben.»
Föderales Flickwerk
Im Bildungswesen ist das besonders kompliziert. Dieses ist zwischen Bund, Kantone und Gemeinden aufgeteilt. Der Bund ist lediglich bei den ETH allein zuständig. In der Berufsbildung ist er gemeinsam mit den Kantonen und Sozialpartnern, bei der Maturitätsprüfung gemeinsam mit den Kantonen zuständig. Die meisten Kompetenzen liegen bei den Kantonen, und diese haben sich bisher nicht auf ein koordiniertes Vorgehen geeinigt.
Auf eine nationale Lösung gedrängt hatte unter anderem die Berner Bildungsdirektorin Christine Häsler. Weil wohl keine Prüfungen durchgeführt werden können, schlägt sie vor, auf das bisher Geleistete der Lehrlinge und Gymnasiasten abzustellen.
Notfalls müsse man auf allen Stufen die Abschlüsse ganz pragmatisch auch ohne Prüfung ausstellen – aufgrund der bisherigen Leistungen, sagte Häsler im Interview mit der Zeitung «Der Bund» vom Montag. «Es darf nicht sein, dass den jungen Menschen ein unverschuldeter Nachteil entsteht.»