Der Ständerat hat heute ein Vetorecht von Standortkantonen oder -regionen beim Bau eines Tiefenlagers für radioaktive Abfälle mit 21 zu 16 Stimmen abgelehnt. Der Kanton Nidwalden hatte dies in einer Standesinitiative gefordert.
Das dortige Kantonsparlament wollte mit dem Vorstoss das bis 2003 geltende Recht wieder ins Kernenergiegesetz einführen. Der Nidwaldner Wellenberg gilt als möglicher Standort für ein geologisches Tiefenlager. Die Kantonsbevölkerung hatte sich in mehreren Abstimmungen gegen dieses Vorhaben ausgesprochen und auch Vorbereitungshandlungen untersagt.
Die Mehrheit im Ständerat argumentierte damit, dass die Atomenergie und damit die Abfallbeseitigung Bundessache sei. Die Sicherheit müsse den Ausschlag für die Standortwahl geben, und zwar wissenschaftlich und objektiv. Der Wille zur Lösung des Problems im Inland sei klar. Mit einem Vetorecht sei ein derartiges Lager nie zu bauen, denn niemand wolle es in seiner Region.
Die Mitsprache- und Rekursrechte beim Sachplan Tiefenlager seien äusserst gut ausgebaut, sagte Pankraz Freitag (FDP/GL), der auch Verwaltungsratspräsident der mit der Endlagerung beauftragten Nagra ist.
Eine Minderheit machte geltend, ohne die Zustimmung der lokalen Bevölkerung sei ein Endlager sowieso nicht realisierbar. Ein Diktat sei einer Demokratie unwürdig und widerspreche dem Prinzip des Minderheitenschutzes. Zudem habe das Vetorecht bis 2003 bestanden, begründete Paul Niederberger (CVP/NW) den Vorstoss seines Kantons.
Hannes Germann (SVP/SH) verwies darauf, dass der Widerstand gegen ein Tiefenlager in der Schaffhauser Verfassung niedergelegt sei. Und diese Kantonsverfassung sei vom eidgenössischen Parlament garantiert worden. Verena Diener (GLP/ZH) erklärte, das Volk entscheide auch bei einem Vetorecht nicht nur emotional.
Roland Eberle (SVP/TG) konstatierte, er werde hier Zeuge einer äusserst lebendigen Debatte über die Sankt-Florians-Politik. Würde ein Vetorecht geschaffen, hätten sich Gegnerkreise mit dem Hinweis auf dieses Instrument längst aus dem breit angelegten Sachplan-Verfahren verabschiedet.
Einen Hinweis von Germann, wonach sich dereinst vielleicht eine internationale Lösung für das Atommüllproblem auftue, verwies Fachmann Freitag ins Reich der Fabel. Das wäre wohl kaum zu bewerkstelligen. Und die internationale Lösung könnte ja durchaus auch die Schweiz als bestgeeigneten Lagerort ausfindig machen. Und Ostsibirien oder die Südsahara kämen auch kaum in Frage. Ethisch nämlich sei Abfallkolonialismus nicht vertretbar.
Die Standesinitiative geht an den Nationalrat.