Schaffhauser Nachrichten: «Bündelung der Kräfte ist sinnvoll»

Hannes Germann, Gemeindepräsident von Opfertshofen und Präsident des Schweizerischen Gemeindeverbandes, äussert sich vor der Abstimmung über die geplante Fusion mit Thayngen.

Interview Monika Nyfeler

Früher waren Sie ein Fusionsgegner. Heute setzen Sie sich für die Fusion Ihrer Gemeinde Opfertshofen mit Altdorf, Bibern, Hofen und Thayngen ein. Warum dieser Meinungsumschwung?

Hannes Germann: Dahinter steht ein langer Prozess. Zu Beginn haben wir vier Kleingemeinden im Unteren Reiat auf der Basis einer Zusammenarbeit unter uns Optimierungspotential gesucht. Wir wären sogar so weit gegangen zu fusionieren. Aber wir sahen darin keine nachhaltige Wirkung. Aus vier finanzschwachen wird keine finanzstarke, handlungsfähige Gemeinde. Die realistische Lagebeurteilung zeigte vier Gemeinden mit derselben Schwäche: die Struktur. Unterstützt wurde unsere Absicht, mit einer grossen, starken Gemeinde zu fusionieren, durch die Haltung der Kantonsregierung. So wuchs von der Basis her langsam die Überzeugung, dass in unserem speziellen Fall die Fusion mit Thayngen das geeignete Mittel zum Zweck ist, um unsere Gemeinden nachhaltig stärken zu können.

Sie sind nicht der einzige, der seine Meinung geändert hat. Trotzdem erstaunt, dass es in der Öffentlichkeit keine Opposition gibt.

Germann: Dank dem behutsam vorangetriebenen Prozess ist es uns gelungen, emotionale Widerstände in den Hintergrund zu drängen. Die Leute haben sich unserer sachlichen, nüchternen Lagebeurteilung angeschlossen. Die Bedenken und Widerstände, die es zu Beginn gab, haben wir ernst genommen und mit glaubwürdigen und sachlichen Argumenten weitgehend ausräumen können. Viele sehen heute die Notwendigkeit dieses Zusammenschlusses.

Thayngen bekommt für die Fusion vom Kanton 4,2 Millionen Franken Entschuldungs- und Infrastrukturbeitrag. Könnte der Untere Reiat seine finanziellen Probleme mit diesem Geld nicht selbst lösen?

Germann: Natürlich würde dieser Betrag für eine willkommene Entspannung sorgen. Er gäbe uns auch die Möglichkeit, mittel- und längerfristig notwendige Investitionen in die Infrastruktur zu tätigen. Aber die langfristigen Entwicklungsperspektiven würden sich trotzdem kaum ändern. Wir würden auf den Ressourcenausgleich angewiesen bleiben. Dazu kommt, dass der Kanton nur Projekte unterstützt, die die Gemeinden nachhaltig stärken, damit sie nachher selbständig und ohne Finanzausgleich funktionieren können. Der hohe Fusionsbeitrag ist für Thayngen ein «Zückerli», damit für alle fünf Gemeinden eine Win-win- Situation entsteht. Dabei muss festgehalten werden, dass Altdorf, Bibern, Hofen und Opfertshofen an sich gut funktionierende Gemeinden mit einer gesunden und intakten Gesellschaftsstruktur sind. Der erfreulich gut vertretene Nachwuchs zieht aber auch Bildungskosten nach sich, die uns finanziell stark belasten. Wir sind nicht in der Lage, diese selbst zu tragen.

Sie sind seit einer Woche Präsident des Schweizerischen Gemeindeverbandes. Ist das kein Widerspruch zur Tatsache, dass es Ihre Gemeinde möglicherweise bald nicht mehr gibt?

Germann: Nein. Als Gemeindepräsident ist es meine Pflicht, das Bestmögliche für meine Gemeinde zu tun. Und ich bin überzeugt, dass ich dies mit der Fusion mache. Als Präsident des Schweizerischen Gemeindeverbandes erwarte ich, dass jeder das Bestmögliche für seine Gemeinde unternimmt. Die Gemeinden generell zu stärken, Lebensqualität zu sichern und intakte Gemeinschaften zu erhalten heisst das übergeordnete Ziel. Eine Fusion ist nicht a priori der beste Weg, aber sie kann der richtige Weg zur Erreichung dieses Ziels sein.

Fusionen sind in der Schweiz im Trend. Eine Modeerscheinung oder eine langfristige Tendenz?

Germann: Das ist schwer zu sagen. Es besteht sicherlich ein gewisser Nachholbedarf. Um 1990 gab es in der Schweiz über 3000 Gemeinden, heute sind es noch 2700. Wenn man den Prozess, der aktuell im Gang ist, realistisch beurteilt, muss man davon ausgehen, dass es noch weitere Strukturbereinigungen in Form von Fusionen geben wird. Im Tessin existierten bis vor kurzem Gemeinden mit 30 Einwohnern. Für diese eine eigene Verwaltung aufrechtzuerhalten ist schlicht nicht mehr möglich. In diesen Fällen ist eine Bündelung der Kräfte und des Know-hows sinnvoll.

Müssten Fusionen demnach noch stärker forciert werden?

Germann: Fusionen um der Grösse und des Wachstums willen finde ich nicht zweckmässig. Ich fände es einen falschen Ansatz, vorzuschreiben, dass jede Gemeinde mindestens 5000 Einwohner haben müsste. Das würde den historischen und den geographischen Gegebenheiten nicht Rechnung tragen. Fusionen können und sollen von oben gefördert werden, aber sie müssen, wie in unserem Fall, von unten wachsen.

Zurück zur geplanten Fusion mit Thayngen. Was würde ein Nein für den Unteren Reiat bedeuten?

Germann: Es gibt ein Ja. (Schweigt lange.)

Warum?

Germann: Ich bin überzeugt, dass auch die Thaynger den Vorteil dieses Schrittes sehen. Thayngen wird durch die Fusion gestärkt: durch das Bevölkerungswachstum, die schöne Wohnlage, die ruhigen Aussenquartiere, durch den Willen der Leute des Unteren Reiats, sich für das Gemeinwohl zu engagieren. Und nicht zuletzt wegen unseres Skiliftes in Opfertshofen. So wird Thayngen schliesslich zu einem Wintersportort (lacht mit einem Augenzwinkern).