Schaffhauser Nachrichten: Ständerat soll Rentenreform retten

Hannes Germann (links) und Ruedi Lustenberger haben entschieden, welcher Rat das Geschäft zuerst berät.Bild Key
Hannes Germann (links) und Ruedi Lustenberger haben entschieden, welcher Rat das Geschäft zuerst berät.Bild Key

Die kleine Kammer des Parlaments berät die grosse Rentenreform zuerst. Alain Berset rechnet dadurch mit grösseren Chancen für seine hoch umstrittene Mammutvorlage. Mitentscheidend dabei war auch Hannes Germann.

Von Tobias Graf

Hannes Germann (links) und Ruedi Lustenberger haben entschieden, welcher Rat das Geschäft zuerst berät.Bild Key
Hannes Germann (links) und Ruedi Lustenberger haben entschieden, welcher Rat das Geschäft zuerst berät.Bild Key

BERN Es ist die wichtigste innenpolitische Vorlage der kommenden Jahre. Am nächsten Mittwoch soll der Bundesrat die Botschaft zur grossen Rentenreform (siehe Kasten) ans Parlament verabschieden. Bevor er sich damit befasst, ist hinter den Kulissen bereits ein intensives taktisches Seilziehen entbrannt. Politiker streiten sich, ob zuerst der Ständerat oder der Nationalrat die Vorlage beraten soll. Sozialminister Alain Berset setzte sich dem Vernehmen nach persönlich stark für den Ständerat ein.

Die Rentenreform ist politisch hoch umstritten: Selbst Bersets Partei, die SP, steht im besten Fall halbherzig dahinter. Die Gewerkschaften pfiffen Berset wegen seiner Pläne vor Kurzem aus. Bürgerliche Parteien auf der anderen Seite wollen das geplante Gesamtpaket für die erste und die zweite Säule an den Bundesrat zurückweisen. Berset aber will unbedingt daran festhalten. Im Ständerat rechnet er sich dafür grössere Chancen aus. Als ehemaliger Ständerat (SP/FR) kennt er seine früheren Kollegen gut.

Nationalrat übergangen

Mit der taktisch wichtigen Frage, welcher Rat mit den Beratungen beginnt, befassten sich Nationalratspräsident Ruedi Lustenberger (CVP/LU) und der Schaffhauser Ständeratspräsident Hannes Germann (SVP). Letzterer spricht von «spätem, aber ungewöhnlich intensivem Lobbying». Doch nun haben sich die zwei einvernehmlich entschieden, wie Germann auf Anfrage bestätigt: Das Stöckli wird die Rentenreform 2015 zuerst beraten. «Der Ständerat hat zurzeit mehr Kapazitäten.» Das hätten Abklärungen ergeben. Guy Parmelin (SVP/VD), Präsident der Sozialkommission des Nationalrats, kritisiert den Entscheid. Er ist «unzufrieden», weil er sich von Germann und Lustenberger übergangen sieht. Parmelin will, dass der Nationalrat die Reform zuerst behandelt. «Es hiess, ich sei zu spät.» Parmelin sieht nun für die Rentenreform schwarz. «Der Nationalrat ist stark polarisiert. Wir hätten sehr lebendig über die Vorlage gestritten.» Danach hätte der Ständerat einen Kompromiss gesucht. Jetzt bestehe die Gefahr, dass der Ständerat zu schnell Konzessionen mache, die im Nationalrat chancenlos seien. Das habe etwa das Ringen um den zweiten Teil der letzten IV-Revision gezeigt, die letztlich in der grossen Kammer gescheitert sei. Nationalrat Toni Bortoluzzi (SVP/ZH) bläst ins selbe Horn: «Die Rentenreform ist ein Volksanliegen, das zuerst eine breite Diskussion braucht.»

Beide Räte wollen zuerst

Hannes Germann nimmt die Kritik zur Kenntnis. «Beide Räte wollen die wichtigste Vorlage der kommenden Jahre zuerst behandeln.» Nun hätten er und Lustenberger im Sinne der Sache – der schnellen Behandlung – entschieden. Tatsächlich besagt das Parlamentsgesetz, dass sich die Ratspräsidenten über die Zuteilung verständigen. Zudem sei trotz des Wahljahrs 2015 eine Lösung möglich, weil die Parteipolitik in der kleinen Kammer im Hintergrund stehe, sagt Ständerat Joachim Eder (FDP/ZG). Komme die Rentenreform zuerst in den Nationalrat, sei eine Aufsplittung dagegen wahrscheinlicher. Der Bundesrat würde also den Auftrag erhalten, gewisse Elemente, etwa das Rentenalter 65 für Frauen, vorzuziehen.

Unter Zeitdruck

Berset schwebt vor, dass der Ständerat die Mammutvorlage bis zu den Wahlen 2015 fertig berät. Viele wichtige Sozialpolitiker wie Urs Schwaller (CVP/FR) und Felix Gutzwiller (FDP/ZH) treten dann nicht mehr an. Fraglich ist, wie der Ständerat dieses ehrgeizige Ziel erreichen will. Laut Beobachtern hat Berset wegen des Zeitdrucks aber grössere Chancen, die Reform mehr oder weniger intakt durch den Ständerat zu bringen. Dass dieser die Vorlage zuerst berät, ist für den Sozialminister aber bloss ein Etappensieg. Später müsste auch der Nationalrat zustimmen.

Mammutvorlage So will der Bundesrat die Renten sichern

BERN Alain Berset und der Bundesrat bleiben wohl dabei. Trotz heftiger Kritik in der Vernehmlassung dürften sie nächsten Mittwoch die Reform der Altersvorsorge verabschieden. Das Gesamtpaket für die erste und die zweite Säule umfasst unter anderem folgende Eckwerte, die der Bund im Juni mitteilte: Das Referenzalter für die Pensionierung wird auch für Frauen auf 65 Jahre angehoben, und bei den Pensionskassen wird der Umwandlungssatz von 6,8 auf 6 Prozent gekürzt. Das Loch von neun Milliarden Franken, das in der AHV-Kasse ab 2030 droht, soll über eine Erhöhung der Mehrwertsteuer gestopft werden. Die Erhöhung soll aber nicht wie geplant 2, sondern 1,5 Prozentpunkte betragen. (r.)