[nau.ch] Lösungsvorschläge gegen Medikamentenmangel überzeugen nicht

Der Medikamentenmangel hält an. Lösungsvorschläge sind rar und können meistens nicht wirklich überzeugen. Der Apothekerverband hofft auf seine Volksinitiative.

Das Wichtigste in Kürze

  • Über 1000 Arzneimittel können nicht in die Schweiz geliefert werden.
  • Ein SVP-Ständerat will mit einer Motion dagegen ankämpfen.
  • Doch diese überzeugt den Apothekerverband nicht.
 Antibiotika, Schmerzmittel, Antidepressiva: Mehrere Medikamente können derzeit nicht in die Schweiz geliefert werden. Die Politik sucht nach Lösungen. - keystone
Antibiotika, Schmerzmittel, Antidepressiva: Mehrere Medikamente können derzeit nicht in die Schweiz geliefert werden. Die Politik sucht nach Lösungen. – keystone

Seit geraumer Zeit herrscht in der Schweiz Medikamentenmangel. Im August und letztens im Dezember spitzte sich die Lage noch einmal zu: Aktuell fehlen dem hiesigen Gesundheitswesen gemäss «Drugshortage.ch» 1010 Medikamente, 789 Produkte oder Dosierungen sind zusätzlich nicht lieferbar. Lösungen werden also dringend gesucht. Auch im Parlament ringen die Volksvertretenden mit der Frage, wie dem Engpass entgegengewirkt werden kann. Ständerat Hannes Germann (SVP/SH) hat kurz vor Ende der Wintersession eine Motion eingereicht, die das erreichen will. Germann will gewisse Medikamente, die in der Schweiz nicht zugelassen sind, ohne Prüfung durch Swissmedic auf den Markt lassen. Germann begründet seine Idee folgendermassen: Länder mit «vergleichbar strengen Zulassungsbehörden und -verfahren» wie EU-Mitgliedsstaaten oder die USA haben die Medikamente schon zugelassen. Deshalb genüge eine einfache Registrierung der Arzneimittel von Swissmedic. Das würde zu tieferen Medikamentenpreisen führen, so der Schaffhauser Ständerat. Zusätzlich würde seine Motion die Versorgungssicherheit erhöhen.

Swissmedic: «Parallelimporte schon möglich»

Der Vorschlag Germanns ist auf «patentabgelaufene Medikamente» fokussiert. Auf Anfrage erklärt Swissmedic, dass diese nicht dasselbe seien wie Generika: Letztere seien pharmakologisch exakte Kopien der patentabgelaufenen Medikamenten. Zur Motion äussern will sich die Zulassungsbehörde nicht. Sie sei weder für die Preissetzung der Arzneimittel, noch für die Versorgungssicherheit zuständig. Swissmedic stellt aber fest: Technisch gesehen ist der Vorschlag von Germann heute schon umgesetzt. Mit dem Parallelimport könnten im Ausland zugelassene Medikamente «in einem stark vereinfachten Verfahren» auch in der Schweiz zugelassen werden. Dies ist im Heilmittelgesetz so verankert. Auch hier muss das Land über ein gleichwertiges Zulassungsverfahren verfügen wie die Schweiz. Damit Parallelimporte – und letztendlich die Medikamente selbst – weniger kosten, hat das Parlament zudem per 2024 eine Gesetzesänderung verabschiedet. Seit dem 1. Januar kann ein Präparat aus dem Ausland in der Originalverpackung bleiben, früher brauchte es eine «schweizspezifische Packung». An der Sicherheit des Medikaments ändere sich aber nichts.

Pharmasuisse: «Eher Symptombekämpfung vom Medikamentenmangel»

Könnte die Motion von Germann aber trotzdem noch den Medikamentenmangel entschärfen? Der Apothekerverband Pharmasuisse meint auf Anfrage von Nau.ch: «Auch bei Lieferengpässen ist der Import von Medikamenten eher Symptombekämpfung als ein wirksames Mittel, um das Problem grundsätzlich anzugehen.» Auch Pharmasuisse verweist auf die Möglichkeit von Parallelimporten. Und fügt hinzu: «Die Frage ist, ob die erleichterten Zulassungsverfahren noch weiter ausgedehnt werden sollen.» Problematisch sei aber, dass nicht nur die Schweiz mit einem Medikamentenmangel zu kämpfen habe. Es handle sich vielmehr um eine internationale Herausforderung. Gemäss Pharmasuisse bestehe das Risiko, dass produzierende Länder den Export von Arzneimitteln blockierten, wenn ihr eigener Landesbedarf nicht gedeckt sei. «In solchen Fällen, welche jetzt schon Realität sind, würde diese Motion ebenfalls nichts bringen», lautet das Fazit.

Der Verband weibelt daher für die hauseigene Volksinitiative. Gemeinsam mit «Ärzteschaft, Drogisten, Pharmaindustrie, Pharma-Grossisten, Labormedizin und Konsumentenorganisationen» hat Pharmasuisse im April letzten Jahres die «Versorgungsinitiative» lanciert. Diese fordert erstens die Schaffung einer Bundeskompetenz «anstatt 26 kantonaler Zuständigkeiten». Zweitens die Stärkung von einheimischer Forschung, Entwicklung, Produktion und Lagerung. Und drittens die Schaffung zuverlässiger Lieferketten aus dem Ausland. Doch bis die Initiative etwas bewirken könnte, wird es noch lange dauern. Im Oktober läuft die Sammelfrist ab, in einem zweiten Schritt müssten Bundesrat und Parlament darüber befinden. Und nach einer allfälligen Annahme durch das Stimmvolk vergehen Monate, bis die Forderungen umgesetzt werden. Die Probleme durch mangelnde Medikamente bleiben aber.