Ehrengäste beim Tengener Traditionsanlass waren Ständeratspräsident Germann und EU-Kommissar Günther Oettinger.
TENGEN Zwischen der Masseneinwanderungs- und der Ecopop-Initiative war es kein Wunder, dass das Verhältnis der Schweiz und der Europäischen Union im Mittelpunkt der Reden stand, die die beiden Ehrengäste des 724. Tengener Schätzele-Markts, Hannes Germann und Günther Oettinger, am Samstagnachmittag bei der sogenannten Mittelstandskundgebung im bis auf den letzten Platz besetzten Festzelt hielten.
«Wie hättet ihr entschieden?»
Der Schaffhauser Ständeratspräsident Hannes Germann kennt Tengen als ehemaliger Opfertshofener Gemeindepräsident gut. Er betonte, dass man Deutschland und die Schweiz als «verschwisterte Nationen» bezeichnen könne. Das Nebeneinander sei nicht immer frei von Konflikten. Dennoch seien wir Nachbarn uns vielleicht sogar ähnlicher, als uns lieb sei. Gerade Süddeutschland habe wirtschaftlich, aber auch sprachlich mehr mit der Schweiz zu tun als etwa mit den neuen Bundesländern. «Keine Angst, die Schweiz hat keine Grossmachtallüren», führte Germann weiter aus. «Sie setzt vielmehr auf friedliche Kooperation.» Die Reaktion des Auslands auf die Masseneinwanderungs-Initiative sei zwar unüberhörbar gewesen. Wenn man aber bedenke, dass die Schweiz einen Ausländeranteil von 24 Prozent habe, dann werde eine beträchtliche Integrationsleistung erbracht. Und Bezug nehmend auf den 9. Februar fragte Germann: «Hand aufs Herz – wie hättet ihr entschieden?»
Kleiner als Schanghai
Der EU-Kommissar Günther Oettinger betonte seinerseits, dass sowohl die Schweiz als auch Baden-Württemberg einwohnermässig kleiner als die Stadt Schanghai seien. Die Frage sei, welche Verantwortung wir in der Welt wahrnähmen. Und wenn wir unsere Werte wie Friede, Demokratie oder Marktwirtschaft in die Welt tragen wollten, brauchten wir die Europäische Union. «Deutschland alleine oder die Schweiz alleine haben weltweit gesehen keinerlei Bedeutung», mahnte Oettinger. Es gäbe in Europa freilich auch weniger Flüchtlinge, wenn man vor Ort einen Beitrag für Friede und Demokratie leisten würde. Deutschland attestierte Oettinger allerdings, auf gutem Weg zu sein. Während man vor zwölf Jahren noch der «kranke Mann Europas» gewesen sei, habe man reagiert und sei nun auf dem Höhepunkt der ökonomischen Leistungsfähigkeit. Germann wurde zuvor mit allen Ehren vor dem Tengener Rathaus empfangen. Er hatte sogar den persönlichen Weibel des Ständeratspräsidenten mitgebracht, Charles Riesen. «Es ist eine echte Premiere für Tengen, dass wir hier einen Weibel begrüssen dürfen», wie der Bürgermeister Helmut Gross festhielt. Dabei konnten sich sowohl Germann als auch Oettinger noch ins Goldene Buch der Stadt Tengen eintragen. «Insgesamt kommen an diesen vier Tagen sicher 100 000 Besucher an den Schätzele-Markt», sagte Gross erfreut. Es wurde aber auch wirklich einiges geboten. Vom Chilbibetrieb mit dem 32 Meter hohen Riesenrad, von Karussells, Autoscootern und Schiessbuden über die Architekten-, Auto- und Gewerbeausstellungen beim Rathaus sowie den Krämermarkt in der Altstadt bis zu den Blasmusikkapellen im Festzelt war für jeden Geschmack etwas dabei. Ein abschliessender Höhepunkt war schliesslich das Feuerwerk gestern Abend.