[Schaffhauser Nachrichten] Amherd verspricht Selenski: «Die Schweiz ist bereit, einen Friedensgipfel zu organisieren»

Erst zwei Wochen im Amt traf die neue Bundes­präsidentin Viola Amherd am Montag gleich drei hochrangige Politiker. Beim Treffen mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenski kündigte sie eine Friedenskonferenz in der Schweiz an.

Bundespräsidentin Viola Amherd empfängt Wolodimir Selenski. Bild: Key

Noch am Samstag genoss Verteidigungs- und Sportministerin Viola Amherd (Mitte) im Zielraum der Lauberhornabfahrt von Wengen beim gemeinsamen Posieren mit Skistar Marco Odermatt für Fotos die leichteren Seiten ihres Amtes.

Am Montag, gut zwei Wochen nach der Amtsübernahme als Bundespräsidentin, ist die Walliserin mit der damit einhergehenden Gravität in ihr neues Amt katapultiert worden. Amherd erlebte in der Bundesstadt Bern und am späten Abend dann am Weltwirtschaftsforum (WEF) in Davos einen Tag, den «20 Minuten» als «diplomatischen Supermontag» betitelte.

Die prominenten Besucher gaben sich praktisch die Klinke in die Hand. Amherd empfing nacheinander einen Regierungschef, ein Staatsoberhaupt und die EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen.

Am Vormittag stand ein Treffen mit dem chinesischen Ministerpräsidenten Li Qiang auf dem Programm. Die Begegnung fand auf dem bundesrätlichen Landgut Lohn in der Gemeinde Kehrsatz bei Bern statt, einem schmucken Patrizieranwesen. In den historischen Gemäuern fand am späteren Nachmittag auch das Treffen zwischen der ukrainischen Delegation unter Führung von Präsident Selenski und der Schweizer Delegation statt, der neben Bundespräsidentin Amherd unter anderem Aussenminister Ignazio Cassis (FDP) und Justizminister Beat Jans (SP) angehörten.

Während sich der Bund nach dem Treffen zwischen Amherd und Qiang auf ein Communiqué beschränkte, trat Amherd am frühen Abend an der Seite ihres zweiten Gastes auf dem Landgut Lohn vor die Medien. Um 17.43 Uhr eröffneten Amherd und Selenski mit jeweils einem kurzen, in Deutsch und Ukrainisch gehaltenen Statement, die rund 20-minütige Medienkonferenz.

Bereits nach wenigen Momenten von Amherds Eröffnung wurde klar: Der «diplomatische Supermontag» hat mehr als nur Händeschütteln und freundliche Floskeln hervorgebracht. Zunächst bezeichnete sie den Besuch Selenskis «als Ehre und Gelegenheit, die Solidarität der Schweiz mit der Ukraine und dem ukrainischen Volk zu bekräftigen». Diese Solidarität habe die Schweiz auf lange Sicht zugesagt.

Dann kam die «grosse Neuigkeit», die Selenskis Stabschef Andri Jermak, der an den vertraulichen Gesprächen im Landgut Lohn zugegen war, gut 25 Minuten vor Beginn der Medienkonferenz in einem Beitrag auf dem Kurznachrichtendienst X vielsagend angekündigt hatte. «Die Schweiz ist bereit, einen hochrangigen Friedensgipfel zu organisieren», kündigte Bundespräsidentin Amherd an, die damit einem von Selenski vorgebrachten Wunsch nachgekommen ist. Bereits ab Dienstag wollen Teams des Aussendepartements EDA und der ukrainischen Seite am Rande des WEF mit den Vorbereitungsarbeiten beginnen. Der in der Schweiz geplante Gipfel ist als Fortsetzung der Gespräche im Rahmen der aus zehn Punkten bestehenden «ukrainischen Friedensformel» von Präsident Selenski zu sehen. Diese umfasst unter anderem Forderungen nach einem vollständigen Rückzug der russischen Truppen und Garantien für einen andauernden Frieden.

Der Teufel liegt in den Details

Am Sonntag hat in Davos zum vierten und letzten Mal ein Treffen im Rahmen der Friedensformel auf Ebene der nationalen Sicherheitsberater stattgefunden, an dem Vertreter von 83 Staaten teilnahmen. Russland blieb ihm wie schon zuvor fern, ebenso China.

Die von Amherd angekündigte Friedenskonferenz soll nun aber auf politischer Ebene stattfinden. Wo und wann steht noch nicht fest. Während aus dem Schweizer Lager zunächst von einem Treffen auf Ebene Aussenminister ausgegangen wurde, schrieb Selenskis Stabschef kurze Zeit später auf X von einem Treffen auf Stufe Staatschefs.

Der Teufel dürfte in den Details liegen. Selenski bedankte sich zunächst bei der Schweiz für die politische Unterstützung, die sie ab dem ersten Tag für die Ukraine gezeigt habe. «Ich möchte der Schweiz dafür danken, dass sie nicht indifferent ist, was in der Ukraine geschieht.» Neutralität bedeute für die Schweiz nicht, die Realität zu ignorieren. Es sei deshalb richtig, dass sich die Schweiz für humanitäre Hilfe, für die Entminung, den Wiederaufbau oder die strafrechtliche Verfolgung von russischen Kriegsverbrechen einsetze. Selenski bedankte sich dafür, «dass die Schweiz zusammen mit der Ukraine bereits morgen mit der Vorbereitung eines globalen Friedensgipfels beginnt».

Bei der kurzen Fragerunde im Anschluss an die Statements schimmerten weitere Differenzen bezüglich der geplanten Friedenskonferenz hervor. Selenski betonte, als Teilnehmende seien alle Staaten eingeladen, welche die Unabhängigkeit und territoriale Integrität der Ukraine respektierten. Amherd stellte in den Vordergrund, dass man eine breit abgestützte Konferenz wolle, die es seriös vorzubereiten gelte: «Wir wollen, dass dieser Friedensprozess erfolgreich ist.»

Ausweichend zeigte sich Selenski auch in seiner Antwort auf die Frage, welche Erwartungen die Ukraine bezüglich der finanziellen Unterstützung durch die Schweiz habe. Bundespräsidentin Amherd hatte zuvor die bereits beschlossenen 1,5 Milliarden Franken für die Jahre 2025–2028 hervorgehoben.

Doch eigentlich will der Bundesrat ein grösseres Hilfspaket schnüren, das den europaweiten Vergleich nicht scheuen muss. Woher das Geld kommen soll und wie viel es am Ende sein wird, darüber hat sich die Landesregierung bisher noch nicht einigen können. In Zeiten drohender Defizite dürfte dieses Paket auch im Parlament noch viel zu reden geben.

SVP blieb Treffen mit Selenski fern

Dort war Selenski am früheren Nachmittag zunächst von Nationalratspräsident Eric Nussbaumer (SP/BL) und Ständeratspräsidentin Eva Herzog (SP/BS) empfangen worden. Im Anschluss folgte ein Gespräch mit den Fraktions- und Parteispitzen. Als einzige Partei blieb die SVP dem Treffen aus «terminlichen Gründen» fern. Im Juni 2023 war die SVP-Fraktion bereits – mit zwei Ausnahmen, eine davon war der Schaffhauser Ständerat Hannes Germann – einer per Video in den Nationalratssaal übertragenen Rede von Selenski ferngeblieben.

Aus Selenskis Sicht war der wohlwollende Empfang durch Parlament und Bundesrat sicherlich ein Erfolg. Bundespräsidentin Viola Amherd erntete kurz vor dem dritten Jahrestag der russischen Invasion die Früchte der Bemühungen der Schweizer Diplomatie um ein gutes Verhältnis zur Ukraine.

Kurz nach der Medienkonferenz flog Amherd vom nahen Flughafen Bern-Belp in Richtung Davos. Dort stand noch ein Treffen mit EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen auf dem Programm. Und damit eine weitere aussenpolitische Grossbaustelle, auf der sich die Bundespräsidentin am «diplomatischen Supermontag» ans Werk machte.