Schaffhauser Nachrichten: «Eine Aussprache ist nötig»

Nach dem möglichen Kauf einer Steuersünder-CD durch Nordrhein-Westfalen schlägt Ständerat Hannes Germann vor, die Banken sollten mit den Milliardenvorauszahlungen noch zuwarten.

Von Sidonia Küpfer

Ob Norbert Walter-Borjans tatsächlich für 3,5 Millionen Euro eine neue Daten-CD mit Informationen über die Namen von rund 1000 deutschen Steuersündern in der Schweiz gekauft hat, ist noch immer nicht offiziell bestätigt. Doch sein fehlendes Dementi auf den Bericht der «Financial Times Deutschland» vom letzten Freitag zeitigt grosse Wirkung und belastet das Steuerabkommen zwischen den beiden Ländern.

«Torpedieren gezielt den Vertrag»
«Ich ärgere mich masslos über den neuerlichen Kauf einer Steuerdaten-CD, aber ich wundere mich nicht», sagt der Schaffhauser Ständerat Hannes Germann (SVP), der sich im Parlament gegen den Staatsvertrag gestellt hatte, den SN. Man müsse unterscheiden zwischen der Bundesrepublik Deutschland, mit der die Schweiz ein Abkommen abgeschlossen habe und dem Bundesland Nordrhein-Westfalen (NRW). Das Bundesland habe zwar als autonomer Gliedstaat einen gewissen Handlungsraum, doch NRW halte sich an keinerlei rechtsstaatliche Regeln: «Damit torpedieren sie gezielt den Staatsvertrag.» Es sei bedenklich, wenn ein Rechtsstaat zu Verbrechen anstifte. Denn Datenklau sei strafbar. Für Germann ist es durchaus denkbar, dass die Schweiz daraus Konsequenzen zieht: «Die Schweizer Banken sollten die vereinbarte Vorauszahlung von zwei Milliarden Franken unter diesen Voraussetzungen nicht leisten. Zumindest bis die Fragen um das Verhalten von NRW geklärt sind.» Und auch das Abkommen ist für ihn nicht in Stein gemeisselt: «Wenn niemand NRW stoppen kann, dann sind die Bedingungen für einen Vertrag mit Deutschland nur bedingt gegeben.» Gut möglich, dass das Stimmvolk noch über das Abkommen befinden wird. Die Aktion für eine unabhängige und neutrale Schweiz, der Bund der Steuerzahler, die Junge SVP sowie die Jungsozialisten wollen das Referendum ergreifen. 50 000 Unterschriften sind nötig, dann käme die Vorlage wohl noch im November vors Volk. In der gestrigen «Bild»-Zeitung kritisierte Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) den Kauf: «Zufällige CD-Käufe können immer nur eine Behelfskrücke sein, sie bieten keinen umfassenden Ansatz zur befriedigenden Besteuerung.» Im Laufe des Tages bestätigte ein Sprecher Schäubles vor Journalisten, dass Berlin von der Existenz der Daten-CD gewusst habe. Man wisse aber nicht, ob sie auch gekauft worden sei. An diesem Punkt setzt Germanns Kritik ebenfalls an: «Von Berlin hätte ich mir eine entschlossenere Reaktion gegenüber NRW gewünscht. Wenn Deutschland das Abkommen wirklich will, sollte es solche Willkür verhindern.» Verbietet der Staatsvertrag den Kauf von Bankkundendaten überhaupt? Im entsprechenden Passus heisst es nur, dass sich «die deutschen Finanzbehörden nicht aktiv um den Erwerb von bei Banken in der Schweiz entwendeten Kundendaten bemühen werden». Das könnte die Möglichkeit offenlassen, dass Steuerfahnder Daten angeboten bekommen. Nationalrätin Christa Markwalder (FDP/BE), die im Parlament für das Abkommen gestimmt hat, entgegnet: «Wir wissen alle, wie das Abkommen gemeint ist: Es soll den Kauf von Steuerdaten verhindern.»

Ein Hintertürchen bleibt offen
Die Parlamentarier hätten auf Treu und Glauben davon ausgehen können, dass Deutschland nach dem Abkommen keine Steuerdaten mehr kaufe. Dennoch: «Wenn man den genauen Wortlaut sieht, so hat sich Deutschland schon ein Hintertürchen offen gelassen.» Für die Akzeptanz des Steuerabkommens in der Bevölkerung sei der Kauf der CD denkbar schlecht. Ganz davon zu schweigen, dass der Erwerb solcher illegal gewonnener Daten auch ohne Abkommen rechtsstaatlich problematisch sei. Für Markwalder ist klar: «Jetzt braucht es eine Aussprache auf Regierungsstufe, um Klarheit zu schaffen, wie Deutschland das Abkommen auslegt.» In diese Richtung zielte wohl auch Schäubles Sprecher. Der erklärte gestern, es sei schwer vorstellbar, dass nach Inkrafttreten des Abkommens der Erwerb solcher Daten noch Sinn mache. Bis dahin könnte der Schweiz aber weiterer CD-Ärger drohen: «Der Spiegel» berichtet, NRW seien noch zwei Datenpakete angeboten worden.