[Schaffhauser Nachrichten] Hannes Germann: Der sanfte SVP-Mann mit Sitzleder

Der Ständerat Hannes Germann tritt ein weiteres Mal zur Wahl an. Er kann auf einen reichen Erfahrungsschatz zurückgreifen – eckte in den letzten vier Jahren aber auch an.

Hannes Germann (SVP) ist 67 Jahre alt und seit 2002 Ständerat für den Kanton Schaffhausen. Germann war ursprünglich Primarlehrer, studierte auf dem zweiten Bildungsweg Betriebsökonomie und absolvierte Weiterbildungen. Er ist verheiratet und hat zwei Kinder. Bild Melanie Duchene

Als wir an diesem Tag im Restaurant Gerberstube eintreffen, ist Ständerat Hannes Germann schon da. Pünktlichkeit gehört ebenso zu seinem Auftreten wie ein tadellos sitzender Anzug, gerne mit Krawatte in Pastelltönen, und eine immer währende Höflichkeit. Während die Techniker Scheinwerfer aufstellen und die Kamera, denn hier zeichnet das Schaffhauser Fernsehen ein Gespräch mit dem SVP-Politiker auf, bestellt er eine Cola Zero mit Zitrone und platziert eine kleine Dose Minzpastillen auf dem Tisch – solche verteilt er für seinen Wahlkampf.

Steckbrief

Der 67-Jährige schürt, anders als manche Parteikollegen, keine Konflikte und auch von der Presse erwartet er Wohlwollen. Als Politiker tritt er leise auf. «Hannes ist sehr ruhig und aufmerksam, er hört den anderen zu», sagt die Mitte-Ständerätin Marianne Maret. Er habe zwischenmenschliche Qualitäten und dafür werde er sehr geschätzt. Seine Fraktionskollegin Esther Friedli sagt, Germann sei ihr, dem Neuling in der kleinen Kammer, «unglaublich hilfsbereit» zur Seite gestanden. Eine Auffälligkeit erwähnen Ratsmitglieder verschiedener politischer Richtungen jedoch: Hannes Germann rede im Rat und in den Kommissionen jeweils zu lange und er neige dazu, abzuschweifen. Auch bei Interviews fällt auf: Kurze, eindeutige Antworten fallen ihm schwer.

Vier Kommissionen, acht Mandate

Zu den Erfolgen der letzten Legislatur gefragt, sagt er: «Bei der OECD-Steuerreform konnte ich massgeblich zu einer guten Lösung für die Kantone, für Schaffhausen, beitragen». Geht es um Wirtschafts- und Steuerfragen, gehört der Politiker zu den Autoritäten im Ständerat, er sitzt auch in der entsprechenden Kommission, die zu den gewichtigen im Parlament zählt. Ausserdem habe er in der letzten Legislatur dazu beigetragen, dass der Wirtschaft während der Pandemie geholfen wurde, sagt er. Er sei «quasi der Vater der Härtefallregelung für besonders betroffene Bereiche wie Gastro oder Reisebüros».

Auch in Dossiers zu Gesundheitspolitik, zu IV, AHV und BVG sowie zu Bildungs- und Kulturpolitik gehört er zu den Wortführern. Insgesamt sitzt er in vier Kommissionen. Er sticht dabei stets als vehementer Verfechter des föderalistischen Prinzips heraus. Daneben hält er sieben bezahlte Mandate und ein unbezahltes inne. So ist er unter anderem Verwaltungsratspräsident der Ersparniskasse Schaffhausen, Vorstandspräsident des Schweizerischen Gemeindeverbands und im Vorstand des Hauseigentümerverbands Schweiz. Germann ist mit 21 Jahren im Stöckli derzeit der amtsälteste Ständerat – und das wird nicht von allen positiv gesehen.

Von linker Seite im Rat heisst es zwar ebenfalls, er sei ruhig und nett. Es heisst aber auch: Hannes Germann sei schon so lange im Rat, dass seine Meinungen gemacht seien. Die Offenheit für neue Rezepte zu alten Fragen fehle manchmal. Als Beispiel wird die Debatte zur Revision des Sexualstrafrechts genannt. Germann sorgte letztes Jahr mit einem Tweet für Unmut, in dem er schrieb: «Um ehrlich zu sein, hätte ich lieber den Titelgewinn unserer Kadetten Schaffhausen live erlebt, als im Ständerat schier endlos über das Sexualstrafrecht zu debattieren.»

Auf die Episode angesprochen, sagt Germann: «Die Verknüpfung vom Meistertitel der Kadetten und dieser ellenlangen Debatte war ja zeitlich rein zufällig.» Im Rat sei er seiner Pflicht nachgekommen, er stimmte für eine Verschärfung des Sexualstrafrechts.

Rasierklingen vs. Monatsbinden

Betrachtet man Germanns politisches Wirken, entsteht der Eindruck, dass Themen wie Gleichstellung der Geschlechter und Vereinbarkeit von Familie und Beruf ohnehin nicht zu seinen Kernthemen zählen. Germann streicht zwar sein Engagement für Geringverdiener – häufig sind hier Frauen betroffen – in der Reform der beruflichen Vorsorge (BVG) hervor. Doch blickt man auf jene Abstimmungen, bei denen er fehlte, stehen da vor allem sogenannte Frauenthemen zuvorderst: In der letzten Session stimmte er bei einer Vorlage nicht ab, welche forderte, dass Politikerinnen auch im Mutterschaftsurlaub ihr Mandat ausüben können. In der Frühjahrssession fehlte er ebenso bei der Abstimmung zur Förderung von Forschung und Therapie für spezifische Frauenkrankheiten.

Das heisst nicht, dass er die Anliegen in seiner Kommissionsarbeit nicht mitunterstützte so wie im zweiten Fall – doch der Eindruck, dass diese Themen Germann nicht gross bewegen, bleibt hängen. Zumal er sich an anderer Stelle über Anliegen der Frauen lustig zu machen scheint, wie in der Debatte rund um die Teilrevision des Mehrwertsteuergesetzes. Die Forderung stand im Raum, die Mehrwertsteuer für Tampons und Monatsbinden zu senken. Germann sagte: «Ich hoffe natürlich, dass das, was blutig machen kann, wie zum Beispiel Rasierklingen und dergleichen, letztlich auch zum tieferen Satz besteuert wird. Zwar handelt es sich dabei nicht um Artikel für die Monatshygiene, trotzdem sind es Hygieneartikel für den täglichen Gebrauch.»

xEine Schwachstelle in Germanns Politik orten politische Gegner zudem im Bereich Klima. Im Öko-Ranking der Umweltverbände landet er – anders als beispielsweise beim KMU-Ranking – auf den hinteren Rängen. Germann sagt zum Rating, es sei von Links-grün für Links-grün gemacht. Eine Motion, die er bereits 2016 einreichte und die Anreize für Plus-Energie-Bauten forderte – und so Solarenergie gefördert hätte –, sei nicht einmal einbezogen worden. Sobald Regulierung im Spiel ist, steht Germann Vorhaben für Klima und Umweltschutz jedoch kritisch gegenüber. So lehnte er zum Beispiel den Gegenvorschlag des Bundesrats zur Biodiversitätsinitiative ab.

Hingegen profilierte sich Germann jüngst, als der Rat seinen Vorstoss zur Aussetzung des Resettlement-Programms – der Aufnahme von bestimmten Flüchtlingen – an die zuständige Kommission überwies. Germann ist wie seine Partei gegen mehr Regulierung – ausser es geht um Migration.

Es wäre die letzte Legislatur

Zusammenfassen lässt sich: Germann trägt die Grundhaltung seiner Partei, er gehört aber zum gemässigten Flügel. Zum Fraktionsdruck sagt er: «Es gibt sicher Situationen, wo es einen ärgert, und da muss man einfach den Mut haben, zu seinen Überzeugungen zu stehen. Beispielsweise bei der Selenksyj-Rede, wo ich völlig daneben fand, dass man via einer Weisung Druck ausgeübt hat.» Germann war einer von zwei SVP-Parlamentariern, die den Saal nicht verliessen. Und er sagt: «Es ist nicht nur bei unserer Fraktion so, dass ab und zu Zwang ausgeübt wird. Das ist auch bei der SP sehr ausgeprägt und immer mehr auch in der Mitte.»

Auf die Frage, ob – wenn er am 22. Oktober denn gewählt wird – nach der kommenden Legislatur Schluss sei, sagt er: «Das habe ich so kommuniziert. Und dabei bleibts.»