Soll das Verbreiten von illegal erworbenen Daten verboten werden? Eine bürgerliche Mehrheit im Ständerat will, dass der Bundesrat diese Frage prüft. Damit riskiert und duldet sie eine weitere Einschränkung der Medienfreiheit in der Schweiz.
Andrea Tedeschi
Eigentlich hätte es eine Verbesserung werden sollen für Journalistinnen und Journalisten, die über den Schweizer Finanzplatz berichten und dabei geheime Daten aus einer Bank verwenden. Doch nun droht sogar eine Verschärfung, wenn es nach dem Ständerat geht. Was ist passiert?
Publizieren Medienschaffende geheime Daten aus einer Bank, droht ihnen basierend auf dem Schweizer Bankengesetz eine Gefängnisstrafe von bis zu drei Jahren. Diese Regelung ist seit 2015 in Kraft und verstösst laut Irene Khan, Uno-Berichterstatterin für Meinungsfreiheit, gegen die Menschenrechtskonvention. Denn das Gesetz verunmöglicht auch dann eine Berichterstattung, wenn die geheimen Daten erhebliche Missstände offenbaren. Khan wandte sich deshalb vor einem Jahr an den Bundesrat und warnte im «Tages-Anzeiger» vor einer «Kriminalisierung des Journalismus».
Der Nationalrat nahm diese Kritik auf, wollte die Medienschaffenden entkriminalisieren, die Pressefreiheit auch in Fragen des Schweizer Finanzplatzes garantieren. Doch nun stellt sich der Ständerat quer. Er beabsichtigt, das Gesetz sogar zu verschärfen.
Eine bürgerliche Mehrheit von FDP, SVP und ein grosser Teil der Mitte beauftragten per Postulat gestern den Bundesrat mit 28 zu 12 Stimmen bei 2 Enthaltungen zu prüfen, ob die generelle Publikation rechtswidrig erhobener Daten unter Strafe gestellt werden soll. Damit droht der Medienfreiheit eine erhebliche Einschränkung. Denn es geht dabei nicht nur um die Veröffentlichung geheimer Bankdaten, sondern um jede Art von geheimen Informationen.
Zwischenbericht
Zuvor hatte die vorberatende Wirtschaftskommission des Ständerates einer Prüfung dieser Verschärfung einstimmig zugestimmt. Es solle auch das Interesse der Öffentlichkeit berücksichtigt werden und die Frage, wie man mit illegal erworbenen Daten umgehe, sagte der Ständerat Thierry Burkart (FDP/AG) gestern. «Illegal erworbene Daten könnten auch unbescholtene Bürgerinnen und Bürger betreffen, die entsprechenden Schutz geniessen müssen.»
Der Vorstoss empört Organisationen, Medienexperten und Anwälte seit Wochen. Bei einem Verbot der Veröffentlichung von geheimen Daten befürchten sie das Ende des investigativen Journalismus. «Der Journalismus wäre oft auf das reduziert, was der Staat, die Wirtschaft oder andere Akteure in der Gesellschaft offiziell bereit sind zu sagen», sagte der Medienrechtler und frühere Zürcher Staatsanwalt David Zollinger gegenüber dem «Tages-Anzeiger». Und Urs Saxer, Rechtsprofessor und Experte für Medienrecht, ergänzte, dass Journalisten bei jeglicher Information, die sie nutzen wollten, zunächst noch sicherstellen müssten, dass diese nicht illegal erhoben worden sei. Dies hätte zur Folge, dass möglicherweise über wichtige Themen nicht berichtet würde.
Diese Kritik war Thierry Burkart (FDP/AG) nicht entgangen. Es sei behauptet worden, der Vorstoss wolle die Medienfreiheit stärker einschränken, sagte er im Rat. Es gehe jedoch lediglich darum, eine Auslegeordnung zu schaffen, um richtig entscheiden zu können.
Dem stimmten jedoch nicht alle zu. Carlo Sommargua (SP/GE), der laut eigenen Angaben an der besagten Kommissionssitzung fehlte und gegen das Postulat gestimmt hätte, sagte, dieses könne man nur als Wunsch verstehen, dass es zu keiner Offenlegung geheimer Daten mehr kommen solle. Mit anderen Worten: Staat und Wirtschaft sollen vor Medienrecherchen besser geschützt sein.
Auch der Bundesrat lehnt das Postulat ab. Jeglicher Missbrauch und die Verbreitung geheimer Daten seien bereits in verschiedenen Gesetzen geregelt, sagte Bundesrätin Elisabeth Baume-Schneider.
Das überzeugte die bürgerliche Mehrheit aber nicht. Hannes Germann (SH/SVP) sagte dazu: «Es war eine Güterabwägung. In digitalen Zeiten, in denen Daten rascher entwendet werden können, gewichten wir den Schutz der Privatsphäre höher als die Medienfreiheit.»