Schaffhauser Parlamentsmitglieder zeigten sich am Dienstagnachmittag enttäuscht über die ausserordentliche Session. Deren Funktion ist vor allem symbolisch, sagt auch Politikwissenschaftler Adrian Vatter.
Katrin Schregenberger
Die dreitägige Session zur Credit Suisse ist erst die dritte ausserordentliche Session, die nicht an eine ordentliche Session angehängt wird. Dies geschah zuvor erst beim Swissair-Debakel 2001 und während der Coronapandemie 2020. SP-Nationalrätin Martina Munz sieht eine Gemeinsamkeit zu 2020: «Es sind Ereignisse, die uns erschüttern», sagt sie.
Als sie am Dienstagnachmittag das Parlamentsgebäude betrat, war ein erster Entscheid im Ständerat bereits gefallen – die beiden Räte debattieren alternierend. Die kleine Kammer hatte die Notkredite von 109 Milliarden Franken für die Bundesgarantien mit 29 Ja-Stimmen zu sechs Nein-Stimmen und sieben Enthaltungen nachträglich gutgeheissen. Und damit darauf verzichtet, dem Bundesrat eine Ohrfeige zu verpassen. Denn mehr als das hätte ein Nein nicht bedeutet, der Entscheid des Parlaments ist in dieser Sache rein symbolischer Natur, da die Finanzdelegation der eidgenössischen Räte (Findel) die Kredite schon rechtsverbindlich genehmigt hat.
Der SVP-Ständerat Hannes Germann war unter jenen, die Nein stimmten. «Es geht darum, dem Bundesrat zu signalisieren: so nicht», sagte er. Ausserdem werde an dieser Session vorgespurt, in welche Richtung es weitergehen solle bezüglich Boni-System, «Too-big-to-fail»-Thematik und Notrecht-Gebrauch. Im Bezug auf Notrecht sendete der Ständerat mit der Annahme eines Antrages gleich auch ein Zeichen: Sollten im Zusammenhang mit der CS-Übernahme weitere Mittel vom Bund nötig werden, will die kleine Kammer, dass diese nicht über Notrecht beschlossen werden, sondern auf dem ordentlichen Weg.
Nur Postulate traktandiert
Am Dienstagabend dann stand dieselbe Debatte zu den Notkrediten im Nationalrat an. «Wenn unsere Forderungen nicht erfüllt werden, werde ich Nein stimmen», sagte Martina Munz vorab. Die SP forderte unter anderem, bereits hängige Vorstösse ihrer Fraktion schon während dieser Session zu behandeln. Auch die SVP beantragte, zwei neue Motionen auf die Traktandenliste der gegenwärtigen Session zu setzen. Am Dienstagabend lehnte der Nationalrat die Anliegen von SP und SVP ab.
Es gehe jetzt darum, die Weichen richtig zu stellen, sagte Munz. Sie zeigte sich vor der Debatte enttäuscht darüber, dass die Mehrheit im Parlament wohl keine griffigen Massnahmen ergreifen wolle, um eine weitere Bankenrettung zu verhindern, und auf Zeit spiele. Die grossen Ankündigungen, die einige Parteien beim Untergang der CS bezüglich Regulierung von Grossbanken, Boni-Kultur und Risikomanagement gemacht hätten – Munz meint namentlich die FDP –, seien bereits verhallt. Denn: Zur Abstimmung geplant sind in dieser Session nur Postulate, die den Bundesrat mit der Klärung verschiedener Sachverhalte beauftragen.
«Aus Hektik heraus entstanden»
«Was für eine mutlose Sondersession das ist», sagte der parteilose Ständerat Thomas Minder nach dem ersten Tag der Session. Nicht nur war er ebenfalls unter jener Minderheit im Ständerat, die den Notkredit ablehnte. Seinen Antrag, die gewährte Verlustgarantie von neun Milliarden zu streichen, wurde vom Ständerat zudem ebenfalls bachab geschickt. «Es wird eine reine Budget-Debatte geführt, bei der es nicht einmal darauf ankommt, ob man Ja oder Nein stimmt. Was für ein Armutszeugnis für die höchste Instanz im Land.» Bundesrat und Parlament hätten keine politische Debatte in dieser Session gewollt.
Auch SVP-Nationalrat Thomas Hurter erwartet nichts wesentliches Neues: «Diese Session hätte es nicht gebraucht», sagt er. Es gehe nun darum, wichtige Fragen zu stellen und den Unmut zu äussern. Und um neue Berichte: «Wir Parlamentarier verlangen gerne Berichte. Wer die wirklich liest, ist unklar.» Diese Session sei aus einer Hektik heraus entstanden. Sie ähnle der ausserordentlichen Session zu Corona dahingehend, dass man auch damals nicht gewusst habe, was eigentlich genau passiere. Nur dass damals viel konkretere Massnahmen diskutiert worden seien. Trotzdem müsse an dieser Session Einiges vom Bundesrat geklärt werden: die «Too-big-to-fail»-Thematik, die extensive Anwendung von Notrecht, Boni-Regelungen, aber auch, wie Verantwortliche zur Rechenschaft gezogen werden könnten.
Zeigen, wo man steht
«Diese Session hat zwei symbolische Funktionen», sagt Adrian Vatter, Professor für Schweizer Politik und Direktor des Instituts für Politikwissenschaft der Universität Bern. Erstens: Das Parlament wolle zeigen, dass es da sei, dass die Parlamentarier ihre Oberaufsichtsfunktion erfüllten, gerade weil der Bundesrat Notrecht angewendet hat. Dieser Faktor sei im Nationalrat besonders bedeutend: «Der Nationalrat sieht sich in der Regel viel stärker als der Ständerat in der Rolle der Kontrolle und der Kritiker des Bundesrates, identifiziert sich stärker mit der Legislative, der gemäss Bundesverfassung höchsten Gewalt im Bund.»
Die zweite symbolische Funktion dieser Session ist laut Vatter: «Die Politiker wollen der Wählerschaft zeigen, wo sie stehen.» Die ausserordentliche Session bietet also vor allem eine Bühne. Dies zeigte sich unter anderem in der Debatte im Ständerat, bei der es so viele Voten gab, dass sie sich auf vier Stunden ausdehnte. «Es spielt sicher eine Rolle, dass wir uns in einem Wahljahr befinden», sagt Vatter. «Vor allem die Polparteien werden die Session dazu nutzen, sich abzugrenzen gegen die Manager und sich positiv darzustellen.»
Im Grossen und Ganzen ist von dieser Session also nichts Handfestes zu erwarten. Eine Überraschung gab es in der Nacht auf Mittwoch aber dennoch: Der Nationalrat lehnte die Notkredite überraschend ab – die Ohrfeige für den Bundesrat kam also von der grossen Kammer. Nun geht das Geschäft zurück an den Ständerat.