Rorschach verlässt als erste Gemeinde die Konferenz für Sozialhilfe. Er könne diesen Entscheid verstehen, sagt Hannes Germann, Präsident des Schweizer Gemeindeverbandes. Doch das Hauptproblem liege bei den Kantonen.
Gestern wurde bekannt, dass die Stadt Rorschach als erste Schweizer Gemeinde aus der Schweizerischen Konferenz für Sozialhilfe (Skos) austritt. Als Grund dafür nannte Stadtpräsident Thomas Müller (SVP), dass die Skos sich mehr für die Anliegen der Sozialhilfeempfänger denn für die der Sozialämter einsetze, wie der Blick berichtete. Grund für Müllers Ärger war vor allem die Aussage von Skos-Präsident Walter Schmid im Zusammenhang mit einem Bundesgerichtsurteil zum Fall eines renitenten Bezügers aus Berikon.
Rückendeckung erhält Müller heute von Hannes Germann, SVP-Ständerat und Präsident des Schweizer Gemeindeverbandes: «Man könnte bei den jüngsten Aktionen der Skos schon den Eindruck erhalten, dass sich der Verband mehr für die Bezüger einsetzt», erklärt er. Die Skos gebe den Gemeinden zwar wichtige Anhaltspunkte und vor allem Rechtssicherheit bei der Berechnung der Sozialhilfeleistungen, erklärt Germann. «Aber die Richtlinien sind teilweise etwas abgehoben und zu weit weg von der zahlenden Basis.» Denn wenn ein einfacher Arbeiter mit seiner Tätigkeit weniger verdiene als ein Sozialhilfebezüger, dann würden die falschen Signale ausgesandt.
Kantone müssten handeln
Doch Germann nimmt die Skos auch in Schutz: «Nicht alles, was der Verband macht, ist schlecht.» Es gelte dort, einen Spagat auszuhalten – man könne schliesslich keine Ansätze festlegen, die nicht tragbar seien. «Wenn die Sozialhilfe zu tief berechnet ist, schiesst man ein Eigengoal», findet der Schaffhauser SVP-Ständerat. Denn dann müsse wiederum die Gemeinde mit Ergänzungsleistungen in die Bresche springen.
Die Problematik bei den Sozialhilferichtlinien sieht Germann bei den Kantonen: Viele Kantone verweisen bei der Berechnung des Anspruchs auf die Richtlinien der Skos. «Sie hätten aber die Möglichkeit, den vorhandenen Spielraum gezielt auszunützen», erklärt Germann. Doch diese Gelegenheit nähmen viele Kantone offenbar zu wenig wahr. Denn die Richtlinien böten eine gewisse Rechtssicherheit, sollte ein Bezüger einen Entscheid anfechten. Vermutlich ist die komplette Übernahme der Richtlinien deshalb für die Kantone der Weg des geringsten Widerstandes. «Vielleicht sollte man aber künftig den Mut haben, auf diese Sicherheitsmarge zu verzichten», so der Präsident des Schweizerischen Gemeindeverbandes.
Keine weiteren Austritte bekannt
Ob der Austritt der Gemeinde Rorschach aus der Skos der richtige Weg ist, darüber will sich Germann kein Urteil anmassen. «Doch wenn man sich mit seinen Bedenken nicht ernst genommen fühlt, bleibt manchmal nur der Schritt, die Notbremse zu ziehen.» Es sei gut, wenn sich die Skos nun rechtfertigen müsse. Für die Gemeinde selbst sei der Austritt unproblematisch – man komme auch gut ohne die Mitgliedschaft aus. Doch sie verzichte damit auf die Möglichkeit, künftige Lösungen mitzugestalten.