[BaZ online] Höhere Berufsabschlüsse: Diplomierte müssen ohne Bachelor- und Master-Titel auskommen

Der Ständerat hat die neuen Abschlusstitel, etwa für Pflegefachfrauen oder Hoteliers, vorläufig beerdigt. Die Hochschulen leisteten erfolgreich Widerstand.

Von Eva Novak

Einen «Professional Master» soll es für sie nicht geben: Studierende der Höheren Fachschule Pflege am Zentrum für Ausbildung im Gesundheitswesen des Kantons Zürich. Foto: Gaëtan Bally (Keystone)
Einen «Professional Master» soll es für sie nicht geben: Studierende der Höheren Fachschule Pflege am Zentrum für Ausbildung im Gesundheitswesen des Kantons Zürich. Foto: Gaëtan Bally (Keystone)

Schweizer Berufsleute gelten zwar als überdurchschnittlich gut ausgebildet. Doch wenn sie sich für eine Stelle im Ausland bewerben, kommen sie oft gar nicht erst in die engere Wahl – oder müssen sich mit weniger Lohn begnügen. Das liege am Titel, ist der Berner SP-Nationalrat Matthias Aebischer überzeugt: Anders als die Konkurrenz aus dem Ausland erhalten hiesige Berufsleute nämlich keinen Bachelor oder Master, wenn sie sich nach der Lehre weitergebildet haben.

Für ihren tertiären Abschluss müssen sie sich mit Ausdrücken wie diplomierte Pflegefachfrau HF, diplomierter Hotelier-Gastronom HF oder diplomierte Maschinenbauingenieurin HF begnügen. Oder sich mit der Bezeichnung «Advanced Federal Diploma of Higher Education» behelfen, welche das Staatssekretariat für Bildung, Forschung und Innovation geschaffen hat. Nur wird diese im Ausland ebenfalls nicht verstanden, wie Aebischer sagt.

Mit einer Motion forderte der Berner Sozialdemokrat deshalb, dass auch in der Schweiz die Titel «Professional Bachelor» und «Professional Master» vergeben werden. Deutschland hat das vor drei Jahren eingeführt für berufliche Abschlüsse, die in etwa den Schweizer Diplomen der Höheren Fachschulen entsprechen. Österreich ist inzwischen gefolgt.

Auch in der Schweiz hinderlich

Selbst im eigenen Land hätten Schweizer Absolventinnen und Absolventen der höheren Berufsbildung einen Nachteil, hat Aebischer beobachtet. Der Arbeitsmarkt sei internationalisiert, die HR-Abteilungen grosser Konzerne und Ketten würden oft von Ausländern geführt: «Ohne den entsprechenden Abschluss laden die ausländischen HR-Chefs die Bewerberinnen gar nicht erst zum Vorstellungsgespräch ein.»

Im Nationalrat vermochte seine Motion die Mehrheit zu überzeugen, sie flutschte mit 129:54 Stimmen selten klar durch. Im Ständerat schien die Sache ebenfalls gelaufen: Schliesslich hatte sich die vorberatende Kommission mit 12 zu 0 Stimmen bei einer Enthaltung dafür ausgesprochen.

Unis und Fachhochschulen warnten vor Titelmix

Doch dann meldeten sich die Universitäten und Fachhochschulen mit vehementem Widerstand zu Wort. Bachelor und Master seien akademische Titel, heisst es in einem Schreiben, das die Dachorganisation der Schweizer Hochschulen Swissuniversities den Mitgliedern des Ständerats rechtzeitig zur Beratung der Motion am Montag zukommen liess. Würden sie auch für Abschlüsse der Höheren Fachschulen verliehen, «gäbe es eine Vermischung der Titelstrukturen der Berufsbildung und der Hochschulbildung». Das sei insbesondere für die Fachhochschulen ein Problem, denn deren Bachelor- und Masterabschlüsse seien «nur durch eine forschungsbasierte Ausbildung mit hoher Praxisnähe» zu erreichen.

Im Ständerat nahm der Waadtländer Freisinnige Olivier Français diesen Faden auf und beantragte, die Motion abzulehnen. Sekundiert wurde er unter anderem von der Luzerner Mitte-Ständerätin Andrea Gmür, die vor einem «Einheitsbrei» und einem «Titelwirrwarr» warnte.

«Der Arbeitsmarkt ist heute internationalisiert», hielt dem ihr St. Galler Parteikollege Benedikt Würth im Namen der Kommission entgegen. Die geltenden Bezeichnungen seien nicht mehr zeitgemäss und würden nicht verstanden. Es sei eine schleichende Diskriminierung der Schweizer Absolventinnen und Absolventen höherer Fachschulen.

Der Schaffhauser SVP-Vertreter Hannes Germann erinnerte an die Loblieder, welche jeweils über die Schweizer Berufsbildung angestimmt würden, und rief seine Kolleginnen und Kollegen dazu auf, den Worten Taten folgen zu lassen: «Sonst lassen wir besser die Sonntagsreden über den Wert der dualen Berufsbildung.»

Nach «achterbahnmässiger» Redeschlacht folgte der Absturz

Nach einer «achterbahnmässigen» Redeschlacht, wie es die Basler Sozialdemokratin Eva Herzog nannte, bei der die Gräben mitten durch die Fraktionen verliefen, versenkte der Ständerat die Motion mit 19 zu 16 Stimmen bei 6 Enthaltungen. Zur Freude von Bundesrat Guy Parmelin, der eine Vorlage zum Thema ankündigte, bei der auch die Einführung des «Professional Bachelor» geprüft werde.

Gar nicht erfreut war Aebischer. «Dass der Ständerat als Chambre de Réflexion den Nachteil für die Schweizer Berufsleute nicht aufheben will, ist mir ein Rätsel», sagte er nach verlorener Schlacht. «Sehr bedauerlich» nannte Gewerbeverbandsdirektor Hans-Ulrich Bigler den Entscheid. Der Ständerat habe die Chance verpasst, zu zeigen, dass auch im Berufsbereich eine Karriere möglich sei. «Offensichtlich wurden die Kantone eingeseift», so Bigler. Viele Ständeräte seien nun mal weit weg von der beruflichen Weiterbildung.

«Standespolitischer Neid» führt zu absurder Situation

«Das ist nichts anderes als standespolitischer Neid», lautet der Kommentar von SP-Doyen und Bildungsexperte Rudolf Strahm. Die heutige Situation sei teilweise absurd: «Hotelfachschulen schliessen sich mit drittklassigen privaten Unis in England zusammen und können dann den Titel Bachelor anbieten, während eine Meisterprüfung nicht als ‹Professional Bachelor› bezeichnet werden darf.»

Die Wirtschaft brauche Leute mit einer Weiterbildung an einer höheren Fachschule. Das seien die Fachkräfte, die in den Spitälern fehlten oder wenn es darum gehe, Anlagen mit Solarpanels und Wärmepumpen zu berechnen und dann zu installieren. Für Strahm ist deshalb klar: «Der Entscheid des Ständerats, den ‹Professional Bachelor› nicht einzuführen, wertet diese Berufe ab und verschärft darum den Fachkräftemangel.»