[Schaffhauser AZ] «Pipifax!» «Reine Rhetorik!»

Zwei Ständeräte, zwei Diagnosen zum aktuellen Zustand des Schweizer Asylsystems. Der eine findet: Die Kriminalität ist das Hauptproblem. Der andere: Die Ressourcen fehlen. Ein Streitgespräch.

15. April 2024, Simon Muster

Mitte März im Ständeratssaal, auf der Traktandenliste: mehrere Vorstösse, die Verschärfungen im Schweizer Asylsystem fordern. Der Ständerat überweist sie alle. 

Die politische Debatte zur Lage des Asylsystems wird so hitzig und polemisch geführt wie seit dem Flüchtlingssommer 2015 nicht mehr. Gleichzeitig fehlt es in den Kantonen an Unterbringungsplätzen, aufgrund zahlreicher Krisenherde ist die Anzahl Asylanträge europaweit anhaltend hoch. Was ist Angstmacherei, was sind reale Probleme – und was sind die politischen Lösungen? Das wollen wir von den Schaffhauser Ständeräten wissen.

Beide kennen sich in der Migrationspolitik gut aus: Hannes Germann (SVP) sass in seinen 22 Jahren im Ständerat zweimal in der für die Asylpolitik zuständigen staatspolitischen Kommission, er hat über die Jahre zahlreiche Asylreformen miterlebt. Simon Stocker war als Sozialreferent führend für die Unterbringung von Geflüchteten in der Stadt Schaffhausen zuständig.

Hannes Germann und Simon Stocker im Streitgespräch. (Bild: Peter Pfister)
Hannes Germann und Simon Stocker im Streitgespräch. (Bild: Peter Pfister)

Wir treffen die beiden im Saal des Theaterrestaurants. Simon Stocker öffnet seinen Laptop, Hannes Germann zieht einen Stapel mit Statistiken und Zeitungsartikeln aus seiner Mappe.

AZ Beginnen wir mit einer Ja-Nein-Frage: Sollen Geflüchtete, deren Asylgesuch in der Schweiz abgelehnt wurde, in Drittstaaten, zum Beispiel nach Ruanda, ausgeschafft werden?

Simon Stocker Nein.

Hannes Germann Ja, als Option.

Die britische Regierung wurde für ähnliche Pläne von Menschenrechtsorganisationen kritisiert und vom obersten Gericht zurückgepfiffen. Ruanda sei kein sicheres Drittland für Geflüchtete. Trotzdem wollen Sie sich diese Option offen halten, Herr Germann?

Germann Wir müssen prüfen, ob solche Verfahren in anderen Ländern zumutbar sind und in unserem Sinn rechtsstaatlich durchgeführt werden. Das ist aufwendig und schwierig zu überprüfen, gerade in einem abgelegenen Land wie Ruanda. Aber als Option müssen wir uns das offen halten, denn im Moment reisen die Menschen unter Lebensgefahr hierher. Im Idealfall würde es anders laufen: Die Menschen müssten die Anträge vor Ort stellen, dann wäre die Überprüfung einfacher und sicherer.

Also eine Art Botschaftsasyl, das die Schweiz 2012 abgeschafft hat?

Germann Ja, früher hatten wir diese Möglichkeit. Wobei die Botschaften heute wohl auch überfordert wären ob der schieren Anzahl.

Das überrascht uns jetzt. Als Ihr Zürcher Ratskollege Daniel Jositsch das Botschaftsasyl 2022 wieder einführen wollte, waren Sie dagegen.

Germann War ich dagegen? Das weiss ich nicht mehr. Grundsätzlich bin ich schon immer der Meinung, dass das Botschaftsasyl möglich sein muss. Wenn ich dagegen gestimmt habe, dann weil der Bundesrat mit der hohen Arbeitsbelastung der Botschaften argumentiert hat. Das sind rein praktische Gründe.

Der neue SVP-Präsident, Marcel Dettling, hat kürzlich einen generellen Aufnahmestopp für Asylsuchende gefordert. Wenn das nicht möglich sei, müsse man halt die Flüchtlingskonvention kündigen. Das ist selbst für die SVP eine extreme Forderung.

Stocker Solche Vorschläge sind, bei allem Respekt, lächerlich. Ja, wir haben eine angespannte Situation: Wir haben 30 000 Gesuche, dazu kommen noch 65 000 Personen mit Schutzstatus S. Hier müssen wir Lösungen finden. Aber wir können die Flüchtlingskonvention nicht kündigen, auch wenn wir das sogar im Parlament diskutiert haben.

Germann Was Marcel Dettling vorschlägt, ist keine Option. Diese Forderung soll wohl Druck auf den Bundesrat ausüben und die Gemüter ausserhalb des Bundeshauses etwas beruhigen. Ich glaube aber nicht, dass dies auf diesem Weg gelingen wird. Vielmehr müssen die Rückschaffungen, die eigentlich stattfinden sollten, auch durchgeführt werden. Das wäre eine Rückkehr zur Glaubwürdigkeit, die wir im Asylbereich leider verloren haben.

Einen Vorstoss, der eine solche «Rückschaffungsoffensive» fordert, hat der Ständerat vor ein paar Wochen überwiesen. 

Germann Die Realität sieht heute so aus, dass wir mangels Rückübernahme- oder Migrationsabkommen kaum Menschen zurückführen können. Da müssen wir mit den Herkunftsländern verhandeln. Das ist mühsam und mit viel diplomatischer Arbeit verbunden, aber es wäre ehrlich gegenüber den Menschen, denen man so kommuniziert: Kommt nicht, ihr habt keine Chance auf Asyl.

Stocker Dafür brauchen wir keine neue Gesetzgebung, die haben wir bereits. Bundesrat Beat Jans hat erst kürzlich darüber gesprochen, und es ist korrekt, dass es Länder gibt, die eine Schutzquote von nur einem Prozent haben. Gegenüber diesen Menschen ist es nur fair, ihnen schnell reinen Wein einzuschenken. Auf der anderen Seite muss gewährleistet sein, dass schutzbedürftige Menschen, die zu uns fliehen, auch ein faires Verfahren erhalten. Deshalb muss weiterhin jeder Einzelfall geprüft werden. Wenn an diesem humanitären Grundsatz gerüttelt wird, ist das für mich nicht tragbar.

Germann Ich bin mit dir einverstanden, dass wir eigentlich die Gesetzgebung weitgehend hätten, um ein glaubwürdiges Asylsystem zu betreiben. Was ich aber fordere, ist die konsequente Umsetzung des Dublin-Abkommens. Die Menschen fragen sich, warum die Politik in der Asylfrage nichts tut, und tatsächlich tut sie nichts, weil das Dublin-System nicht funktioniert.

Aber die Zahlen zeigen genau das Gegenteil – die Schweiz profitiert vom Mechanismus des Dublin-Systems: 2023 konnte die Schweiz dreimal so viele Asylsuchende in andere Länder zurückweisen, als sie selbst zur Prüfung von deren Gesuchen übernehmen musste.

Germann Nur theoretisch, denn streng genommen könnte man nur mit dem Flugzeug in die Schweiz kommen. Trotzdem landen viele Flüchtlinge aus anderen Dublin-Staaten am Schluss bei uns, weil diese kein Interesse haben, die Leute innerhalb ihrer Grenzen aufzuhalten. Das ist verständlich, aber es ist einfach eine unwürdige Abschiebepraxis.

Herr Stocker, die SVP spricht von einem Asylfiasko. Welches Wort würden Sie verwenden?

Stocker Wenn ich mit Fachleuten aus dem Kanton oder aus NGOs spreche, höre ich, dass die Situation angespannt ist. Aber wir sind nicht an einem Punkt, an dem eine Überforderung oder gar ein Fiasko besteht. Das Problem ist, dass wir zwar einen gesetzlichen Rahmen haben, aber damit das System funktioniert, braucht es auch Ressourcen, Unterkünfte und ausgebildetes Personal. Und genau da hapert es: Als Bundesrätin Baume-Schneider die Unterbringungskapazitäten mit Containern erhöhen wollte, hat ihr der Ständerat das Geld verweigert.

Germann Mit den Asylcontainern wären 3000 Plätze geschaffen worden. Das ist bei den Zahlen, mit denen wir aktuell konfrontiert sind, Pipifax! Wir haben ein Mengenproblem. Und ein Kriminalitätsproblem.

Trotzdem: Die Kantone hätten die Container gern gehabt. Sie haben das vermeintliche Asylfiasko mitverursacht.

Germann Die Kantone, in denen die Container aufgestellt werden sollten, sind jetzt wahrscheinlich froh, dass sie nicht kommen. Die Idee war relativ unausgegoren. Asyldörfer auf Waffenplätzen der Armee aufzustellen, macht keinen Sinn. Die Armee hätte dann möglicherweise keine Truppenübungen mehr machen können. Das geht einfach nicht in einer Zeit, in der die Armee wieder glaubwürdig aufgestellt werden muss.

Wenn man mit Leuten aus dem Asylbereich spricht, sind die Probleme schnell benannt: zu wenig Unterkünfte, zu wenig Fachpersonal, grosser Pendenzenberg beim Bund. Wenn ich aber die Vorstösse anschaue, die Sie im Ständerat diskutieren, geht es fast ausschliesslich um Repression. Politisiert der Ständerat an der Realität vorbei?

Germann Wenn man die Probleme ignoriert, dann macht man einen Fehler. Wir müssen die Probleme angehen, die steigende Kriminalität. Das muss uns endlich aufwecken…

Keine Sorge, das Thema kommt noch…

Germann Das Thema wird einfach immer unter den Tisch gekehrt. Ich bin für ein glaubwürdiges System und das besteht nicht nur aus Integration, sondern auch aus einem repressiven Teil. Wer das Gastrecht auf grobe Art und mehrfach missbraucht, hat es verwirkt. Fertig, Schluss.

Stocker (zögert kurz) In der Migrationspolitik kommt es immer darauf an, was man betont. Geflüchtete Personen sind oft verletzliche Personen, viele Kinder, alleinreisende Frauen …

Germann Das stimmt doch nicht, Simon!

Stocker … denen wir helfen müssen. Und dann gibt es einen Teil von Personen, die aus Ländern kommen und keine Chance auf Asyl haben. Denen müssen wir reinen Wein einschenken. Und dann gibt es diejenigen, die kriminell werden. Auch da haben wir eine Gesetzgebung, die ausreicht. Hier hat Beat Jans angekündigt, dass Personen im Asylbereich, die mehrfach straffällig werden, härter angepackt werden sollen. Darüber sind wir nicht uneins. Aber die Vorstösse, die wir zum Teil im Ständerat diskutieren, ändern überhaupt nichts. Das ist Augenwischerei.

Herr Germann, Sie sind hörbar nicht einverstanden.

Germann Aus vielen Kulturen kommen nur junge Männer zu uns. In Afghanistan werden junge Frauen und Mädchen von den Taliban verfolgt, aber zu uns kommen nur junge Männer. Auch aus Nordafrika, aus Eritrea…

Stocker Als junger Mann würde ich auch nicht unter einem solchen Regime leben wollen!

Germann Ja, ich auch nicht! Aber sie leben nun mal in dieser Kultur. Ich will einfach nicht, dass am Schluss – zugespitzt gesagt – die Verfolger und die Verfolgten hier in der Schweiz sind und Konflikte und religiöse Unterdrückung in unserem Land stattfinden. Deshalb müssen wir restriktiver werden, gerade mit den Rückführungen.

Stocker Ihr fordert immer das gleiche, obwohl wir seit über 20 Jahren versuchen, solche Abkommen abzuschliessen…

Germann Ach, vergiss die Vorstösse.

Stocker Mit einem Unrechtsregime wie Eritrea werden wir kein Rückschaffungsabkommen erreichen. Dann nützt es auch nichts, wenn du das in einer Motion forderst, Hannes.

Simon Stocker, Sie haben jetzt schon mehrmals den neuen Justizminister Beat Jans angesprochen. Und er hat sich bisher in der Asylpolitik vor allem mit repressiven Vorschlägen und Aussagen profiliert: 24-Stunden-Verfahren, Case-Management für kriminelle Intensivtäter. Bandelt der neue SP-Bundesrat gerade mit rechts an, um nicht wie seine Vorgängerin handlungsunfähig zu werden?

Germann (lacht)

Stocker Beat Jans hat kürzlich gesagt, es sei keine sozialdemokratische Politik, bei Problemen wegzuschauen. Das würde ich unterschreiben, und die Massnahmen sind korrekt. Dass er dabei auch auf rhetorische Schärfe setzt, überlasse ich ihm. Ich bin nicht Bundesrat.

Das für die Asylpolitik zuständige Justizdepartement lag die vergangenen 12 Jahre, mit der Unterbrechung durch Karin Keller Sutter, in den Händen der SP. Trotzdem gibt es aus unserer Sicht bis heute keine ersichtliche linke Migrationspolitik, Herr Stocker.

Stocker Wir haben einen bürgerlichen Bundesrat, ein bürgerliches Parlament, bürgerliche Kantone. Warum wollen die Bürgerlichen das Asyldossier nicht an sich nehmen? Weil sie sich dann wirklich hinstellen und Härte zeigen müssten. Solange die SP das Dossier hat, können sie immer behaupten, wir hätten versagt. Dabei ist es die bürgerliche Asylpolitik, die die SP ausbaden muss und bei der SP-Bundesräte noch versuchen, das Schlimmste zu verhindern.

Germann Das ist jetzt blauäugig.

Stocker Das ist nicht blauäugig, oder warum habt ihr das Justizdepartement nicht übernommen?

Germann Wir hatten 2007 Bundesrat Blocher im Justizdepartement, ich sass damals bereits im Ständerat. Und er hat nach jahrelanger Druckserei die Asylzahlen massiv nach unten gedrückt. Nur dadurch, dass er angeordnet hat, man müsse härter durchgreifen. Das hat uns als Land unattraktiver gemacht. Christoph Blocher hat Verantwortung übernommen und unserem System damals wieder Glaubwürdigkeit verschafft.

Stocker Als Christoph Blocher das Justizdepartement unter sich hatte, waren die Asylzahlen in ganz Europa rückläufig – ob ihm das also auch in der heutigen Weltlage gelingen würde, ist mehr als fraglich. Und wie man aus dem Justizdepartement hört, wurden die Verfahren damals unter Blocher nicht gerade menschlich geführt. Das zählst du vielleicht als erfolgreiche Politik, aber ich bin der Meinung, dass ein Sozialdemokrat die Verfahren anders durchgeführt hätte.

Auch Christoph Blocher halbierte 2006 die Bettenzahl im Asylwesen auf 10 000 Plätze – obwohl seit 1987 bis heute in keinem Jahr weniger als 10 000 Asylgesuche gestellt wurden. Heute plant der Bund mit regulär 5000 Unterbringungsplätzen. Die Platznot ist politisch gewollt. 

Germann Wir wissen nicht, wie viele morgen, nächstes Jahr oder in zehn Jahren kommen werden. Es ist schwierig, die Infrastruktur in diesem Bereich zu planen. Natürlich hat Blocher die Kapazitäten zurückgefahren, auch ein Unternehmen leistet sich keine leerstehenden Immobilien.

Würde das Parlament mehr Plätze finanzieren, gäbe es nicht bei jedem Anstieg einen Notstand.

Germann Wir haben während der Corona-Pandemie grob geschätzt 20 Milliarden Franken ausgeben müssen. Wahrscheinlich gut investiertes Geld, aber teuer. Jetzt müssen wir wieder Finanzpolitik machen, die nachhaltig ist. Und davon sind wir weit entfernt. Wir haben ein Asylsystem, das vier Milliarden verschlingt (Anm. d. Redaktion: Voranschlag im Bundesbudget für das Jahr 2023). Ich stehe zu unserem System, aber wir dürfen die Augen nicht verschließen. Wir haben auch andere Probleme in diesem Land zu lösen.

Stocker Ich war früher Sozialreferent in Schaffhausen und habe in Flüchtlings-Integrationsfragen viel mit dem Kanton zusammengearbeitet. Wir haben die großen Fluchtbewegungen 2015 gut gelöst, weil Stadt und Kanton Geld in die Hand genommen haben und bereit waren, in Spitzenzeiten Unterkünfte zur Verfügung zu stellen. Das ist kein «Geld verschlingen». Jeder Rappen, der in die Menschen investiert wird und dafür sorgt, dass die Menschenwürde in dieser schwierigen Situation gewahrt bleibt, ist gut investiertes Geld.

Herr Stocker, Sie haben vorhin gesagt, die SP könne im Bundesrat nur Schlimmeres verhindern. Wie sähe denn eine linke Asylpolitik aus, wenn Sie Mehrheiten hätten? Träumen Sie!

Stocker Die Frage ist, ob sie diametral anders aussehen würde als heute, die Gesetzgebung bleibt ja die gleiche. Innerhalb dieses Rahmens könnte man beispielsweise mehr Personal beantragen.

Aber Sie sitzen im Parlament, Sie können den gesetzliche Rahmen anpassen.

Stocker Ich habe keine Liste von Gesetzesänderungen, die ich sofort umsetzen könnte und alle Probleme wären gelöst. Es wäre blauäugig, als Sozialdemokrat eine Vorlage mit mehr Ressourcen vors Volks zu bringen. Wir haben eine bürgerliche Asylpolitik und innerhalb dieser ist es wichtig, dass rechtsstaatliche Verfahren garantiert sind, dass jeder Einzelfall geprüft wird und dass genug Geld vorhanden ist. Das ist eine sozialdemokratische Politik.

Das klingt aber nicht inspirierend.

Stocker Es tut mir leid, ich bin nicht der Typ Träumer, sondern Realpolitiker.

Sprechen wir über Kriminalität. Die neuste Kriminalitätsstatistik zeigt, dass die Kleinkriminalität zunimmt. Besonders im Fokus stehen junge Männer aus dem Maghreb. Was tun?

Stocker Die Frage ist: Wie kann man diese Delikte verhindern? Das geht nur mit Prävention und mit Personal. Dieses muss vor Ort sein, sichtbar sein. Dafür braucht man aber auch wieder mehr Ressourcen. Mit einer Gesetzesänderung verhindert man keine Einbrüche.

Germann (zieht eine Statistik hervor) Eine halbe Million Straftaten haben wir. Eine halbe Million, das ist eine gewaltige Zunahme. (Anm. d. Red: 2023 wurden schweizweit rund 522 000 Straftaten registriert; 2022 rund 458000). Wir dürfen die Augen nicht verschliessen. Ich bin nicht jemand, der schnell in Panik verfällt, aber die Banden aus dem Maghreb sorgen dafür, dass wir die Polizeikorps hochfahren müssen, was auch wieder kostet. Deswegen spreche ich von «Geld verschlingen». Wir sind uns einig: Viel Geld ist gut investiert in echte Flüchtlinge, aber wir schaden dem Ruf der Schweiz, wenn wir die Kriminellen einfach gewähren lassen. Man könnte sich überlegen, ob kriminelle Geflüchtete nicht ein paar Tage in Arrest gesetzt werden sollten. Dafür fehlt vielleicht die konkrete rechtliche Grundlage, aber dann müssen wir sie schaffen. Wir müssen klar ein Zeichen setzen und Kriminelle vor die Türe stellen.

Also nach einem Einbruch in ein Auto einsperren und direkt ins Flugzeug stecken?

Germann Zumindest im Wiederholungsfall, ja.

Auch wenn das Asylgesuch noch nicht überprüft wurde?

Germann (überlegt) Das weiss ich nicht, es hängt von der Herkunft und dem Einzelfall ab. Aber ich würde Straffällige auf jeden Fall unter Arrest setzen oder mit einer Ausgangssperre belegen bis klar ist, ob die Strafe verbüsst werden muss oder nicht.

Warum werden einige Personen, die flüchten, kriminell?

Germann Weil es lohnenswert ist und ihnen keine Strafe droht.

Wahrscheinlicher ist doch, dass diese Personen aus materieller Not handeln.

Germann Mich interessieren die Beweggründe von Kriminellen nicht. Unser Rechtssystem ist heute viel zu täterfreundlich. Es sollen die Leute in die Schweiz kommen, die verfolgt sind an Leib und Leben. Sie haben ein faires Verfahren und unser Gastrecht verdient.

Sie haben in einer Motion aber die Aussetzung des Resettlement-Programms gefordert, welches ausschliesslich verletzlichen Personen nützt.

Germann Der Bundesrat hat das Resettlement-Programm selbst ausgesetzt. Meine Motion hat nur gefordert, dass das Resettlement-Programm ausgesetzt bleibt, bis der Ansturm aus der Ukraine vorbei ist.

Simon Stocker, reicht Prävention allein aus? Es ist nicht so, dass bisher nichts unternommen wurde.

Stocker Es gibt zahlreiche Beweise dafür, dass mit einer repressiveren Gesetzgebung solche Delikte nicht verhindern werden können. Wir können Einbrüche nur verhindern, wenn die Personen in flagranti erwischt werden. Vor allem müssen wir bei den Beweggründen beginnen, ohne dabei die Tat zu rechtfertigen. Und dann das entsprechende Personal für Beschäftigung und Prävention zur Verfügung zu stellen.

Germann Von wegen Personalaufstockung: Wir wollten das Grenzwachkorps gegen den Willen der Linken um 200 Personen aufstocken. Ich messe die Menschen an ihren Taten, nicht an ihren Worten.

Stocker (seufzt) Ich erinnere mich, dass wir 2015 eine Phase mit ein paar Schlägereien in der Altstadt hatten. Wir haben das angeschaut, die Polizeipräsenz erhöht und irgendwann hat sich das Problem wieder gelegt. Aktuell haben wir eine Zunahme und ich nehme das ernst. Wir müssen die Präsenz erhöhen.Aber wir sollten nicht in einen Aktionismus verfallen.

Man könnte auch in die Ausbildung der vorläufig aufgenommenen Personen investieren, ähnlich wie man es bei den Ukraine-Geflüchteten im Status S macht.

Germann Das ist Teil des normalen Asylverfahrens, aber scheinbar sind viele nicht am eigentlichen Verfahren, sondern an der Kriminalität interessiert. Ich fühle mich nicht verantwortlich, alle Kriminellen aus Nordafrika in der Schweiz aufzupäppeln, die sich dann durch alle Ebenen der Justiz mit Hilfe der Asylindustrie klagen können.

Wer gehört aus Ihrer Sich zu dieser angeblichen «Asylindustrie»?

Germann Hilfswerke, Übersetzerinnen, Rechtsanwälte. Ich bin einerseits froh, dass diese Menschen diesen Job machen, aber sie haben per se ein Interesse, dass ihr Job erhalten bleibt.

Stocker Der Begriff «Asylindustrie» impliziert, dass die Hilfswerke schuld daran sind, dass die Menschen zu uns kommen. Das ist falsch und diffamierend. Wenn sie diese Arbeit nicht machen würden, würde das System zusammenkrachen. Das ist reine Rhetorik.

Germann Gut, dann ziehe ich den Begriff zurück.

Mitarbeit: Xenia Klaus