[Schaffhauser Nachrichten] AHV unter Dach und Fach

Die Jungfreisinnigen Schweiz und das Initiativkomitee der Renteninitiative reichen die Eidgenoessische Volksinitiative ''Fuer eine sichere und nachhaltige Altersvorsorge Renteninitiative'' bei der Staatskanzlei ein, am Freitag, 16. Juli 2021 in Bern. (KEYSTONE/Marcel Bieri)

AHV und Covid-19 sind die dominierenden Dossiers der Wintersession – beide landen in der Einigungskonferenz beider Räte. Nun ist zumindest bei der AHV das Stimmvolk am Zug.

Von Hannes Germann*

«Ob die doch recht breit abgestützte AHV-Vorlage beim Volk durchkommt, wird sich weisen.» Hannes Germann
«Ob die doch recht breit abgestützte AHV-Vorlage beim Volk durchkommt, wird sich weisen.» Hannes Germann

Die Wintersession hat es in sich. Nicht wegen Corona. Längst hat man sich an die verschiedenen Vorsichtsmassnahmen gewöhnt – an sinnvolle und weniger sinnvolle. Auffallend häufig kommt es nun auch im Ständerat zu knappen Entscheidungen. Das äussert sich in häufig auftretenden oder eben auch zu Pattsituationen. Bei Stimmengleichheit fällt der Ratspräsident den Stichentscheid. Der am ersten Sitzungstag glanzvoll gewählte Ständeratspräsident Thomas Hefti (FDP/GL) war in seiner ersten Session im höchsten Amt besonders gefordert.

Nicht weniger als acht Stichentscheide hatte er bisher zu treffen. Zum Vergleich: In meinem gesamten Präsidialjahr 2013/2014 hatte ich nicht so viele Stichentscheide treffen «dürfen». Auch andere Präsidenten nicht. Was an Heftis Entscheiden besonders erfreulich ist. Er folgt nicht einfach blindlings dem Bundesrat oder der Kommissionsmehrheit, sondern entscheidet gemäss seiner politischen Überzeugung. In sieben von acht Fällen stimmte der Stichentscheid mit meinem Abstimmungsverhalten überein. Da kann ich nur feststellen: So macht «Freisinn» Freude! Fortsetzung erwünscht.

Knappe Entscheidungen gab es auch in den Schlüsseldossiers wie der AHV-Revision und dem Covid-19-Gesetz. Diesmal taten sich die beiden Räte schwer mit der Suche nach Lösungen, die sowohl im Nationalrat wie auch im Ständerat mehrheitsfähig sind. Erst gestern früh um sieben Uhr hat man sich in der Einigungskonferenz der beiden Kommissionen SKG (Gesundheit und Soziales) gefunden und die letzte Differenz bereinigt. Es ging um die Frage, ob Rentenzuschläge an allfällige Ergänzungsleistungen wie jeder andere Einkommensteil angerechnet werden müssten.

Die Einigungskonferenz hat zwar mit der Nichtanrechnung von Rentenzuschlägen systematisch falsch, aber politisch wohl trotzdem richtig entschieden. Den Empfängern wären sonst die Zuschläge im Falle einer Anrechnung bei den Ergänzungsleistungen postwendend wieder weggenommen worden. Damit wird die Einkommenssituation von Frauen mit tiefen AHV-Renten­einkommen verbessert, was durchaus dem Sinn und Geist der Revision entspricht.

Die Kernelemente der AHV-Revision stehen damit fest: schrittweise Angleichung des Frauenrentenalters an jenes der Männer (65/65), lebenslängliche Rentenzuschläge für die am stärksten betroffenen neun Frauenjahrgänge, flexibler Teilbezug der AHV-Renten ab Alter 63 (Teilrenten), Erhöhung des Freibetrages um das 1,5-Fache von 16 800 auf neu 21 510 Franken. Gedeckt werden soll das AHV-Manko nebst dem angepassten Frauenrentenalter durch eine um 0,4 Prozent erhöhte Mehrwertsteuer.

Ob die insgesamt doch recht breit ab­gestützte AHV-Vorlage beim Volk durchkommt, wird sich weisen. Das Referendum von links ist so gut wie sicher. Jetzt sowieso, nachdem der Ständerat das von mir vertretene Ansinnen «Negativzinsen in die AHV» leider abgelehnt hat. Das hätte einige Sozialdemokraten und Grüne möglicherweise von ihrer prinzipiellen Nein-Position abbringen können. Obligatorisch abgestimmt werden muss über die Erhöhung der Mehrwertsteuer um 0,4 Prozent, mit der man sich auf der rechten Ratsseite schwergetan hat.

Bei der beruflichen Vorsorge (BVG) hat es der Nationalrat nicht geschafft, das System mit den hohen Abgabesätzen zu eliminieren. Systembedingt durch das BVG wird die Arbeitssuche für die Generation «Ü45» auch künftig massiv erschwert. Und solange Personalchefs nicht oder nur in löblichen Ausnahmefällen bereit sind, ältere Menschen anzustellen, haben wir ein Problem. Das betrifft die AHV und das BVG gleichermassen. Denn wie sollen wir Menschen überzeugen, für ein höheres Rentenalter zu stimmen, wenn sie schon ab 50 grösste Mühe haben, eine neue Anstellung zu finden?

* Hannes Germann (SVP) ist Schaffhauser Ständerat.