[Schaffhauser Nachrichten] Bund soll Einbussen der Spitäler mittragen

Die Spitäler trugen während der Coronapandemie eine riesige Last – auch finanziell. Die Kantone halfen aus, fordern jetzt aber, dass der Bund einen Teil der Beiträge übernimmt. Unter den Wortführern ist Schaffhausen.

Katrin Schregenberger

Die Coronapandemie brachte die Spitäler an die Belastungsgrenze – aber nicht alle zur selben Zeit. BILD KEY

SCHAFFHAUSEN Die letzten zweieinhalb Jahre bedeuteten für die Schweizer Spitäler die chaotischste Zeit seit Jahrzehnten. Nicht nur personell brachte die Coronapandemie sie an die Grenzen, sondern auch finanziell: Bis zu 1,5 Milliarden Franken betrugt der ­finanzielle Schaden für die Spitäler landesweit allein im Jahr 2020, wie die ­Beratungsfirma PWC in einer Studie ­berechnet hat. Dieser Schaden entstand einerseits durch Mehrkosten unter ­anderem für Personal, Material sowie ­teurere Behandlungen auf den Intensivstationen. Ausserdem mussten die Spitäler Vorhalteleistungen erbringen, also zum Beispiel Intensivbetten und Personal vorsorglich bereitstellen.

Andererseits erlitten die Häuser finanzielle Einbussen. Besonders ins Gewicht fällt hier das vom Bundesrat verhängte Verbot von nicht dringenden Operationen und Behandlungen im Frühling 2020. Nicht unmittelbar lebensnotwendige Eingriffe wie beispielsweise Gelenkersatz­operationen mussten warten.

Die Einbussen konnten in den folgenden Monaten nicht vollständig aufgeholt werden, wie Markus Eberhard, Medizinischer Direktor des Kantonsspitals Schaffhausen, sagt: «Menschen sind älter geworden, es wurde auf die eine oder andere Behandlung verzichtet, ob das gut war oder nicht.» Während des Verbots von nicht dringenden Eingriffen mieden viele Patientinnen und Patienten zudem Spitalbesuche und kamen später als angezeigt. «Wir hatten mehr schwere Komplikationen. Zum Beispiel schwere Blinddarmentzündungen, bei denen die Leute zu lange warteten, bis sie ins Spital kamen. Oder auch Herz­infarktpatienten», sagt Eberhard.

Kantone helfen Spitälern

Auch finanziell zog das Behandlungsverbot einen Rattenschwanz nach sich. Ein Nullsummenspiel sei es nicht gewesen, auch dort, wo die Behandlungen nachgeholt wurden, sagt Eberhard: «Wenn man nachträglich viel mehr leisten muss, be­ansprucht dies das Personal stärker. Es müssen beispielsweise Temporärangestellte eingestellt werden, was erneut Kosten verursacht.»

Die Pandemie führte dazu, dass die Spitäler schweizweit Defizite verzeichneten. Die Spitalfinanzierung ist grundsätzlich Aufgabe der Kantone und die grosse Mehrheit griff den Spitälern unter die Arme. Über 800 Millionen Franken betrug die Unterstützung bis im Sommer 2021, wie eine Studie der Universität Basel im Auftrag von Ospita, dem Verband der Schweizer Gesundheitsunternehmen, zeigt.

Auch der Kanton Schaffhausen half den Spitälern in der finanziell schwierigen Lage: In den beiden Jahren 2020 und 2021 bekamen die Spitäler Schaffhausen 18,2 Millionen Franken, um die Verluste zu decken. Deutlich sichtbar waren diese in der Ertragsabnahme von 13,2 Millionen Franken im Jahr 2020. Die gesetzliche Grundlage für die Finanzspritze war der Rahmenkontrakt zwischen dem Regierungsrat und den Spitälern, der vorsieht, dass sich der Kanton bei ausserordentlichen Ereignissen an der finanziellen Bewältigung beteiligt.

«Während des ersten Lockdowns wussten wir nicht, wie das herauskommt», erinnert sich Markus Eberhard. «Mit dem Kanton konnten wir aber eine sehr gute und unkomplizierte Lösung finden, damit wir eine gewisse Betriebssicherheit haben», sagt er.

Bund soll sich beteiligen

Auf den Mehrausgaben wollen die Kantone aber nicht sitzen bleiben, auch wenn der Bundesrat eine Beteiligung bereits 2020 abgelehnt hat. Die Kantone Schaffhausen, Aargau, Basel-Stadt und Tessin haben deshalb Standesinitiativen eingereicht. Sie fordern, dass sich der Bund an den Ertragsausfällen der Spitäler, die durch das Behandlungsverbot ausgelöst wurden, beteiligt.

«Die Spitäler im Kanton Schaffhausen haben besonders unter dem bundes­rätlichen Verdikt gelitten», sagt der Schaffhauser FDP-Kantonsrat Christian Heydecker, der die Schaffhauser Standesinitiative mit einer Motion angestossen hat. Zu Beginn der Pandemie sei Schaffhausen überspitzt gesagt eine Insel der Glückseligen gewesen, die Anzahl Personen auf der Intensivstation waren zum Glück relativ gering. Trotzdem mussten die Spitäler auf nicht dring­liche Eingriffe verzichten – und hätten dann zu wenig zu tun gehabt, sodass sie ­sogar Kurzarbeitsentschädigungen beantragt hätten.

«Der Bund hat sich damals unter Berücksichtigung der Lage in Italien und im Tessin für den Lockdown entschieden, das war absolut verständlich. Es wäre fatal gewesen, sich nicht auf eine Überlastung des Systems einzustellen», sagt Markus Eberhard vom Kantonsspital. Diese Überlastung trat in den Schaffhauser Spitä- lern dann im Dezember 2020 auch tatsächlich ein.

Nationalrat berät am Montag

«Wer befiehlt, soll bezahlen.» Hannes Germann Schaffhauser SVP-Ständerat

Die Kantone fordern, dass der Bund die Ertragsausfälle kompensiert, die durch seinen Erlass entstanden sind. Der Ständerat hat die Standesinitiativen bereits in der letzten Wintersession beraten – und knapp abgelehnt. Anführer der Minderheit war der Schaffhauser SVP-Ständerat Hannes Germann. «Wer befiehlt, soll zahlen», sagt er und nimmt damit Bezug die verfassungsrechtlichen Maxime, dass jener die Folgen tragen soll, der entscheidet. Germann sagt: «Bundesrat und Parlament sollten Verantwortung übernehmen.»

Die Gegner argumentieren, dass der Bund bereits rund 80 Prozent der Pandemiekosten auf sich nehme und die Kantone nur 20 Prozent. Finanziell stünden die Kantone momentan bedeutend besser da. Diese Argumente will Germann nicht gelten lassen: «Eine Versicherung kann auch nicht sagen, sie erstatte mir den versicherten Schaden nicht, weil ich das Geld ja nicht nötig hätte.» Es gehe um das Gebot der Fairness, gerade auch im Hinblick darauf, dass das Parlament beim Öffentlichen Verkehr, der eigentlich ebenfalls nicht in die Zuständigkeit des Bundes falle, Bundesbeiträge genehmigt habe.

In der kommenden Woche wird der Nationalrat voraussichtlich darüber beraten. Die vorberatende Kommission beantragt, die vier Standesinitiativen abzulehnen. Sie sieht das Behandlungsverbot als nicht entscheidenden Grund für die Ertragsausfälle der Spitäler. Der pandemiebedingte Gewinnrückgang der Allgemeinspitäler liege laut einer Studie von Swiss Economics im Auftrag des Bundesamts für Gesundheit bei 600 Millionen Franken, das entspreche weniger als 2,5 Prozent des Umsatzes.

Im Ständerat haben kantonale Anliegen in der Regel einen besser Stand, es wäre überraschend, wenn die Initiativen im Nationalrat durchkommen. Für die Kantone wird es aber eine zweite Chance geben: Im Parlament noch hängig ist eine Motion von SVP-Nationalrätin Verena Herzog. Sie fordert, die Lücken im Epidemiengesetz zu schliessen und «die für die Spitäler anfallenden direkten Kosten sowie die nachweisbaren indirekten Kosten (inklusive Vorhalteleistungen), die durch die vom Bund angeordneten Massnahmen entstanden sind, in angemessener Höhe mitzufinanzieren». In dieser Sache ist das letzte Wort also noch nicht gesprochen.

Nachwehen der Pandemie

Für die Spitäler hat die Pandemie aber noch andere Folgen: «Der Fachkräftemangel hat sich schweizweit in einer Art verschärft, wie wir es in den letzten 15 Jahren nicht gesehen haben», sagt Markus Eberhard vom Kantonsspital Schaffhausen. Während der Pandemie hätten viele Pflegefachkräfte den Beruf verlassen, zu wenige träten neu in den Arbeitsmarkt ein. Auch krankheitsbedingte Ausfälle hätten zu­genommen. Die Anzahl Stellen, die nicht besetzt werden könne, habe sich durch die Pandemie verdoppelt.

Ebenfalls noch nicht im grünen Bereich sei die Medikamentenversorgung, es gebe nach wie vor Lieferschwierigkeiten. Für die Spitäler in der Schweiz ist die Bewältigung der Pandemie – auch angesichts erwart­barer Coronawellen ab dem Herbst – also noch lange nicht vorbei.