[Schaffhauser Nachrichten] Der Weg zur «Digitalen Verwaltung» ist weit

Die 69. Generalversammlung des Schweizerischen Gemeindeverbandes stand gestern ganz im Fokus der Digitalisierung. Diskutiert wurde über Herausforderungen und Möglichkeiten der digitalen (Gemeinde-)Verwaltung.

Rico Steinemann

Marcel Salathé, Hannes Germann, Moderatorin Felicie Notter, Chantal Weidmann Yenny und Peppino ¬Giarritta (v. l.) diskutieren die Herausforderungen der digitalen Verwaltung. BILD ZVG

YVERDON-LES-BAINS. Das Bundesamt für Gesundheit und der Gebrauch des Faxes im Jahr 2020. Oft wurde darüber gespottet, und auch an dieser Generalversammlung des Schweizerischen Gemeinde­verbandes (SGV) in Yverdon sorgte das veraltete Kommunikationsmittel wieder für einige Lacher. Dabei steht die Episode in gewisser Weise sinnbildlich dafür, dass der Schweiz in Sachen Digitalisierung noch sehr viel Arbeit bevorsteht.

Die Digitalisierung im Allgemeinen und die «Digitale Verwaltung» im Speziellen standen denn auch im Fokus der diesjährigen Generalversammlung. Eröffnet wurde diese durch den Schaffhauser Ständerat Hannes Germann, der als Präsident des SGV amtet. Der Bundesparlamentarier wies gleich zu Beginn – dem eigentlich Fokus-Thema ­«Digitale Verwaltung» zum Trotz – auf eine andere grosse Herausforderung hin, die auf die Gemeinden wartet. Der Krieg in der Ukraine und die Bewältigung der Flüchtlingskrise in der Schweiz, von der die Gemeinden unmittelbar betroffen sind.

«Immerhin sind sie durch die Coronapandemie krisenerprobt», sagte Germann vor den Mitgliedern des SGV. Es brauche nun alle drei Staatsebenen, also Bund, Kantone und die Gemeinden, um diese Herausforderung zu bewältigen. Germann, früher selber Gemeindepräsident in Opfertshofen, stellte im Namen der Gemeinden sogleich drei Forderungen. Erstens müsse der Verteilschlüssel für die Flüchtlinge konsequent angewendet werden. Zweitens müsse rasch geklärt werden, wie es mit dem Schutzstatus S weitergehe. Und drittens müssen die Finanzierungsfragen für die Zukunft geregelt werden. «Diese Kosten müssen auf verschiedene Schultern verteilt werden. Es kann nicht sein, dass die Gemeinden am Schluss auf den Restkosten sitzen bleiben», sagte Germann in seiner Eröffnungsrede.

Cybersicherheit betrifft alle

Im anschliessenden Referat wies die Waadtländer Staatsrätin Christelle Luisier Brodard darauf hin, dass die Gemeinden auf dem Weg hin zu einer digitalen Verwaltung eine wichtige Rolle spielen. «Auch in einer globalisierten Welt braucht es Nähe und eine Verbindung zum Lokalen.» Luisier betonte, dass der Kanton Waadt eine eigene Digitalisierungsstrategie entwickelt habe und schweizweit in diesem Bereich eine Führungsrolle einnehme. Und die Staatsrätin sprach auch ein Thema an, das alle beschäftigt, die sich mit Digitalisierung befassen: Cybersicherheit. Niemand sei vor Hackerangriffen gefeit. Es könne auch Gemeinden treffen, wie das Beispiel der Cyberattacke auf Rolle im Jahr 2021 zeige.

Dazu passt, dass der Bundesrat just am Tag vor der Konferenz bekannt gab, aus dem Nationalen Zentrum für Cybersicherheit ein Bundesamt zu machen. Vorschläge, wie das Amt ausgestaltet und in welchem Departement es angesiedelt wird, sollen bis Ende Jahr ausgearbeitet werden.

Zum abschliessenden Podiumsgespräch trafen sich Hannes Germann, Chantal Weidmann Yenny, Präsidentin der «Union des Communes Vaudoises», Peppino Giarritta, Geschäftsleiter der Organisation Digitale Verwaltung Schweiz, und Marcel Salathé, Epidemiologe und Erfinder der Covid-App. Yenny betonte, dass es seit der Coronapandemie einen Digitalisierungsschub gegeben habe. Und die Bevölkerung effiziente Dienstleistungen wünsche. Manche Gemeinden seien aber überfordert. Giarritta sieht einen Schlüssel darin, dass man in die Ausbildung des Gemeindepersonals investiere. Kompetente Behörden würden Vertrauen bei der Bevölkerung schaffen. Für den Wissenschaftler Salathé hat die Schweiz in Sachen Digitalisierung noch «einige sehr grosse Baustellen». Er wünscht sich mehr Tempo, gerade die Pandemie habe doch gezeigt, dass es nicht immer Jahre dauern müsse, sondern Veränderungen auch in wenigen Monaten möglich seien.

Hannes Germann lacht, als man ihn später darauf anspricht, wie sehr die Geschwindigkeitsvorstellungen von Beamten und Wissenschaftlern auseinanderklaffen. «Das war spannend mitanzu­hören. Klar, Herr Salathé hat mit der Covid-App bewiesen, dass es schnell gehen kann. Aber gleichzeitig funktionieren Verwaltungen eben etwas langsamer. Die Rechtssicherheit muss immer gegeben sein.»

Was sieht er als grösste Herausforderung auf dem Weg hin zu einer digitalen Verwaltung? «Die Sicherheit der per­sönlichen Daten muss oberste Priorität haben», sagt Germann. Und man müsse die Digitalisierung mehr als Chance, denn als Risiko sehen, ist er überzeugt. «Wir müssen die Menschen mitnehmen und ihnen den Mehrwert aufzeigen, den digitale Lösungen mitbringen.» Das gelte auch und vor allem für die ältere Generation.

Der Weg sei noch weit, räumt er ein. Aber die Gemeinden hätten die Zeichen der Zeit erkannt und machen vorwärts.