Interview Hannes Germann, Ständerat (SVP/SH) und Präsident des Gemeindeverbandes
von Anna Kappeler
Die Stadt Luzern hat am Sonntag einer Steuererhöhungzugestimmt. Hannes Germann hat für diese Steuererhöhung in der «Tagesschau» Sympathien geäussert. Wir haben nachgefragt, weshalb.
Herr Germann, Ihre Aussagen in der «Tagesschau» vom Sonntag erstaunen. Werben Sie als SVP-Ständerat nun für Steuererhöhungen?
Hannes Germann: Überhaupt nicht, nein. Aber die Leute sind gewillt, Steuererhöhungen in Kauf zu nehmen, wenn damit notwendige Leistungen der Gemeinde oder des Staates sichergestellt werden können. So, wie es Ja sagt zu massvollen Steuerfussreduktionen, ist das Volk bereit, Gegensteuer zu geben, wenn es unumgänglich ist.
Die SVP macht sich doch aber für Steuersenkungen stark.
Germann: Ich bin nicht nur Partei-, sondern in erster Linie Standesvertreter. Standesvertreter machen, was für ihren Kanton und ihre Gemeinden am besten ist. Als Bürgerlicher setze ich mich natürlich für eine günstige Steuerpolitik ein. Es ist dennoch entscheidend, dass wir eine tragbare Verschuldung haben. Es gibt seit Längerem eine Verschiebung der Kosten vom Bund hin zu den Gemeinden. Die Gemeinden kommen durch die Gesetzgebung des Bundes unter Druck. Beispielsweise wurde das Pflegegesetz angepasst, wodurch auf die Gemeinden enorme zusätzliche Kosten zukommen. Reichen AHV, IV oder – falls überhaupt vorhanden – Pensionskasse nicht aus, sind primär die Gemeinden mit Ergänzungsleistungen oder Sozialhilfe gefordert. Das hat seinen Preis – ebenso wie eine gute Schule oder eine intakte Infrastruktur. Was gut sein mag für die Bundeskasse, ist für Kantone und Gemeinden oft nicht vorteilhaft.
Warum kommt der steuerpolitische Sinneswandel gerade jetzt?
Germann: Auch wir spüren die Schulden- und die Wirtschaftskrise im Euroraum, zwar nicht so schlimm wie in den Nachbarländern, aber die Steuereinnahmen sprudeln auch bei uns nicht mehr so wie in den Boomjahren. Das ist normal. Normal ist aber auch, dass nun gewisse Korrekturen vorgenommen werden müssen.
Hat das Modell Steuerwettbewerb nicht funktioniert?
Germann: Dieses Modell funktioniert sehr wohl. Es schafft Arbeitsplätze in der Wirtschaft, und Kantone wie Gemeinden sind gehalten, ihre Leistungen gut und günstig zu erbringen. Auch in Schaffhausen waren wir immer unter Druck, weil Zürich sehr günstige Steuern hat. Deshalb mussten auch wir – vor allem bei den natürlichen Personen – Steuern reduzieren. Aber wenn man wie in Luzern die Unter- nehmenssteuer um die Hälfte redu- ziert und danach merkt, dass die Rechnung nicht aufgeht, muss man auch den Mut haben, Gegensteuer zu ge- ben. Das finde ich eine Entscheidung, die von hohem Verantwortungsbewusstsein zeugt. Die Alternative wäre eine Schuldenwirtschaft à la EU oder USA. Dafür büssen künftige Genera- tionen.
Wie wollen Sie das Loch in den Gemeindekassen konkret stopfen? Sollen Holdings oder natürliche Personen stärker besteuert werden?
Germann: Das Ziel der Schweiz muss es sein, attraktive Steuern zu haben, die den Leuten ihr Geld lassen. Bei den Holdings gilt es, eine intelligente Gesamtlösung zu finden. Statt einzelner Holdings sollen alle Unternehmen und damit der Werkplatz Schweiz profitieren, etwa durch höhere Abzüge für Forschung und Entwicklung. Da ist der Bund gefordert. Die Kantons- und die Gemeindefinanzen müssen gesund bleiben, aber das muss Jahr für Jahr budgetiert werden.
Wie geht es den Gemeinden im Kanton Schaffhausen steuertechnisch?
Germann: Jede Gemeinde schaut in ihrem Budget, ob sie mit den bestehenden Mitteln auskommt oder nach oben oder unten korrigieren muss. Die Schaffhauser Gemeinden haben eine sehr gewissenhafte Steuerpolitik betrieben. In Thayngen beispielweise, wo ich steuerpflichtig bin, wurden die Steuern erhöht. Schlicht, weil es nach dem Einbruch bei den juristischen Personen nötig war. Die Leute tragen das mit. In der Schweiz kann Steuerpolitik zusammen mit dem Volk gemacht werden. Im Gegensatz zu den Staaten um uns herum, die das Hohelied der Steuergerechtigkeit singen, müssen wir das Volk bei der Steuerpolitik nicht fürchten. Wir haben in der Schweiz 26 Kantone mit 26 verschiedenen Gemeinderegimes, es gibt Gemeinden mit hoher und solche ohne Verschuldung. Ein Rezept für alle Gemeinden zu finden, ist unmöglich. Es ist aber entscheidend, dass die Gemeinden bei finanziellen Engpässen schnell Gegensteuer geben können – allenfalls auch einmal gegen oben.