Schaffhauser Nachrichten: Grosser Wahltag und wichtige Sachgeschäfte

In der Herbstsession dreht sich alles um die Ersatzwahl in den Bundesrat. Daneben gibt es gewichtige Sach- geschäfte, die je nach Weichenstellung von grosser Tragweite sind.

von Hannes Germann

Mit der Aufnahme diplomatischer Beziehungen mit China vor 60 Jahren hat die Eidgenossenschaft nicht nur für Aufsehen, sondern zum Teil auch für internationales Missfallen gesorgt. Sie hat damit aber vor allem die Basis für eine gedeihliche politische und wirtschaftliche Zusammenarbeit mit dem Reich der Mitte geschaffen. Der chinesische Botschafter jedenfalls zeigte sich im Rahmen des Jubiläumsanlasses Schweiz–China dankbar für den damaligen Vertrauensvorschuss seitens der Schweiz. Der Besuch solcher Anlässe am Rande der Session gehört nicht zum Pflichtprogramm eines Parlamentariers. Und doch ist es wichtig, derartige Kontakte zu pflegen. Vor 60 Jahren dachte man in der Schweiz wohl kaum an das enorme Potenzial des chinesischen Milliardenmarktes bei dessen Öffnung 50 Jahre später …

Und auch das sei erwähnt, wo doch in Schaffhausen gerade die Berufsmesse (ein ausgezeichneter Anlass!) läuft: China hat ein enormes Interesse an unserem dualen Berufsbildungssystem. Auch das ist einer der Trümpfe des Kleinstaates Schweiz. Es kommt nicht von ungefähr, dass wir weltweit als wettbewerbsfähigste Volkswirtschaft gelten. Wir tun also gut daran, unserem Bildungssystem und namentlich der Berufsbildung Sorge zu tragen! Themenwechsel, Sans-Papiers. Eine knappe Mehrheit leistet einer Motion aus dem Nationalrat Folge: Sans-Papiers sollen künftig nicht nur das Recht auf Schulbildung, sondern gleich auch noch das Recht auf eine Berufslehre erhalten. Der Zwängerei aus der Romandie ist damit Erfolg beschieden. Dort schätzt man sie als «günstige Arbeitskräfte». Dies «natürlich» unter Umgehung unseres Rechts. Mit dem Einstieg in die Berufswelt öffnet man für deren Nachwuchs den Zugang zum Sozialsystem. Humanitäre Begründungen gaben den Ausschlag – denn schliesslich geht es um Menschen, um Schicksale. Und doch: Das Signal nach aussen ist fatal. Warum sollte jemand ein schwieriges und langwieriges Asylverfahren mit ungewissen Aussichten durchlaufen? Oder gar eine Arbeitsbewilligung beantragen? Wäre es nicht attraktiver, mit der ganzen Familie in die Schweiz zu kommen, schwarzzuarbeiten und gleichzeitig die Kinder gratis an unsere Schulen, in eine Berufslehre oder an eine Universität zu schicken? So unterlaufen wir, wie das Bundesrätin Widmer-Schlumpf zu Recht festgestellt hat, unser eigenes Ausländergesetz. Für mich führen wir mit einer derartigen Doppelmoral den Rechtsstaat ad absurdum. Man darf gespannt sein, ob und wie der Bundesrat diesen rechtsstaatlichen Spagat schaffen wird. Ebenfalls einen Spagat gilt es in der dritten Sessionswoche bei der Beratung des Gegenvorschlags zur Landschafts-Initiative zu vollziehen. Es droht ein Bauzonenmoratorium für die nächsten 20 Jahre. Was ist stärker zu gewichten: Landschaftsschutz oder die Bedürfnisse von Mensch und Wirtschaft? Die vorberatende Kommission kommt den Initianten mit fragwürdigen Mehrwertabschöpfungen, Beschränkungen der Nutzungsfreiheit und anderen Auflagen sehr weit entgegen. Sie setzt eigentlich das im Gesetz um, was die Initianten in der Verfassung verankern wollen. Es drängt sich der Verdacht auf, dass dieser Vorlage dasselbe Schicksal blühen könnte wie der Mietrechtsvorlage. Sie wurde durch zweimaliges Nichteintreten im Nationalrat kurzerhand versenkt. Auslöser war hier eine Fehlkalkulation des Bundesrates, der einen als historisch bezeichneten Kompromiss zwischen Mieter- und Vermieterorganisationen erst erzwungen und diesen dann zu allem Unglück auch noch willkürlich verändert hatte. Schade, Chance vertan. Doch dreht sich nächste Woche alles um die Bundesratswahl. Das Rennen ist völlig offen. Sicher ist nur, dass wir am Ende der Woche zwei neue Bundesräte haben werden und dass es erstmals eine Frauenmehrheit geben wird.