Schaffhauser SVP-Politiker wollen Schweizer Hilfsgelder für die palästinensischen Gebiete sistieren. Derweil soll die Hamas nach einem parteiübergreifenden Sinneswandel als Terrororganisation eingestuft werden. SP-Nationalrätin Martina Munz drückt sich vor einer Aussage.
Tobias Bolli
Die Bilder von panisch fliehenden Teilnehmern eines Musikfestivals haben sich ins kollektive Gedächtnis der Weltöffentlichkeit eingebrannt. Über 1000 Israeli sind den Angriffen der Hamas am Samstag zum Opfer gefallen, die überwiegende Mehrheit von ihnen Zivilisten. Mehr als 100 Israeli dürften darüber hinaus als Geiseln in den Gazastreifen verschleppt worden sein. Die Schweiz unterhält als einziges westliches Land Beziehungen zur Hamas, welche diese Gräueltaten verübt hat. Das soll sich nun ändern. Einstimmig hat die Sicherheitskommission des Nationalrats den Bundesrat dazu aufgefordert, die Hamas als Terrororganisation einzustufen.
«Es gibt gewisse Organisationen, die vor nichts zurückschrecken. Ihnen gegenüber müssen wir eine viel härtere und konsequentere Haltung haben», sagt Thomas Hurter (SVP), der sich als Schaffhauser Nationalrat in der Sicherheitskommission betätigt. Er zeigt sich überrascht davon, dass sich innerhalb der Sicherheitskommission auch alle Mitglieder der Mitte und des linken Spektrums überzeugen liessen. Nur ein Jahr zuvor stimmte eine Mehrheit des Nationalrats noch gegen einen Vorstoss von Lukas Reimann (SVP), der ebenfalls ein Verbot der Hamas forderte. «Es erfüllt mich mit Befriedigung, dass wir dem Bundesrat mit dem einstimmigen Entscheid nun ein klares Zeichen gegeben haben.»
«Sind zu blauäugig unterwegs»
Bevor der Bundesrat den Auftrag erhält, muss das Parlament der Motion in der Wintersession noch zustimmen, das dürfte angesichts des einstimmigen Votums der Kommission aber eine blosse Formsache sein. Was die Schweizerische Entwicklungshilfe für die palästinensischen Gebiete angeht, hat Hurter eine klare Meinung. «Wir sind generell viel zu blauäugig unterwegs und müssen viel genauer hinschauen. In einer ersten Phase sollten wir den Geldfluss sicher stoppen. Es braucht nun ein eindeutiges Zeichen der palästinensischen Bevölkerung, dass sie sich von der Hamas ganz klar distanziert.» In den kommenden Jahren hat die Schweiz 32 Millionen Franken für verschiedene Projekte in den palästinensischen Gebieten vorgesehen.
Ständerat Hannes Germann (SVP) schlägt in die gleiche Kerbe. «Wir schicken Gelder an über 20 palästinensische Organisationen. Damit sollten wir jetzt aufhören und generell über die Bücher gehen. Ansonsten gerät die Hamas intern nicht unter Druck und man lässt sie gewähren.» Die Organisation habe mit ihrem Überraschungsangriff den Beweis dafür erbracht, dass sie niemals eine Partei in Friedensverhandlungen sein könne. Wer willkürlich Familien und Kinder umbringe, disqualifiziere sich selbst.
Eigentlich keine Überraschung
Im Übrigen habe die Hamas schon vor den jüngsten Massakern ihr wahres Gesicht gezeigt. «Seit Jahren schiessen sie wahllos gegen Wohngebiete.» Bereits zuvor sei der Austausch mit der Gruppe «ein falsch verstandenes Gutmenschentum» gewesen. Die Schweiz brauche die Hamas nicht, um im Nahostkonflikt zu vermitteln. Der Einstimmigkeit in der Sicherheitskommission traut er derweil nicht so ganz. «Es sind bald Wahlen und alles ist noch im Bereich der Ankündigung.» Namentlich linke Politiker müssten entsprechende Tatbeweise auch nach den Wahlen noch erbringen. Zuvor habe es viele Versuche gegeben, die Hamas zu verbieten, diese seien jedoch stets – auch von den jetzigen Ja-Sagern – verhindert worden.
Ständerat Thomas Minder (parteilos) ist Mitglied der Sicherheitspolitischen Kommission des Ständerats. Als solcher habe er bereits beantragt, ein Verbot der Hamas an der nächsten Sitzung im Oktober zu traktandieren. «Ja, ich bin der Meinung, dass man die Hamas als kriminelle Organisation wie IS und Al-Qaida verbieten muss. Das geltende Gesetz erlaubt dies bereits heute», schreibt er aus Bern. Damit kann Minder die Argumentation des Bundesrats nicht nachvollziehen. Dieser hatte bis anhin darauf hingewiesen, dass die Hamas keinen Sanktionen des Uno-Sicherheitsrats unterliege und deshalb nicht auf die Liste der Terrororganisationen gesetzt werden könne. Zur Frage der Weiterführung oder Aussetzung der Entwicklungshilfe wollte sich Minder noch nicht äussern.
Munz hält sich zurück
Nationalrätin Martina Munz (SP), die nicht Mitglied der Sicherheitskommission ist, glaubte sich gestern noch nicht in der Lage, einen informierten Kommentar abzugeben. Es gehe gerade alles sehr schnell, sagte sie.