Schaffhauser Nachrichten: Steuergerechtigkeit oder nur ein PR-Gag?

von Hannes Germann

Da taucht doch tatsächlich ein Waadtländer in Obwalden auf, um den Urkanton im Herzen der Schweiz auf den Steuerpfad der Tugend zurückzu-bringen. Regierung und Parlament haben beschlossen, die «Steuerhölle Obwalden» mit der Einführung eines degressiven Steuersatzes für Superverdiener zu einer Wohnalternative werden zu lassen. Als Vorbild für den Obwaldner Steuercoup diente just das innovative Modell des Kantons Schaffhausen.
Die Stimmberechtigten Obwaldens hiessen ihr neues Steuermodell mit einer sensationellen Mehrheit von 86 Prozent gut. Verständlich, denn die geplagten Obwaldner Steuerzahler haben es satt, bei gleicher wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit ungleich höhere Steuern zu bezahlen als ihre Nachbarn in den steuergünstigen Kantonen Zug, Schwyz oder Nidwalden. Und weil das Volk in einer Demokratie das letzte Wort hat, sollte mit dem Entscheid eigentlich alles klar sein. Doch weit gefehlt. Nationalrat Zysiadis will den demokratisch gefällten Volksentscheid vom Bundesgericht ausser Kraft setzen lassen. Dies ganz nach dem Vorbild der seinerzeitigen Vögte, für die die Stimme des Volkes nichts zählte. Zysiadis springt mit seinem Wohnortwechsel für die SP Schweiz in die Bresche, die mit der gleichen Absicht aufgelaufen ist. Insofern ist die Aktion für Zysiadis schon einmal ein PR-Erfolg. Die Frage der juristischen Legitimation wird durch das Bundesgericht geklärt werden müssen. Weil der Kommunist aus Lausanne in Obwalden Mitunterzeichner für die juristische Anfechtung des Volksentscheides gefunden hat, steht diese formelle Frage jedoch kaum im Vordergrund. Interessanter dürfte die Klärung der steuerlichen Hintergründe sein. Und in Steuerfragen ist Lausanne immer wieder für eine Überraschung gut.
Materiell geht es nämlich um die Frage, ob ein degressiver Steuersatz gegen den verfassungsmässig verankerten Grundsatz der Besteuerung gemäss der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit verstösst. Und damit letztlich auch darum, wie weit der kantonale Steuerwettbewerb gehen darf. Dieser gewollte Wettbewerb trägt massgeblich zur wirtschaftlichen Attraktivität unseres Landes bei.
Nun ist Zysiadis bekannt für seinen parlamentarischen Unterhaltungswert. Für ihn ist zu hoffen, dass es ihm wirklich um mehr geht als um einen PR-Gag. Wenn sein Gerechtigkeitssinn der einzige Antrieb wäre, hätte er nämlich in seiner echten Wahlheimat durchaus Handlungsbedarf. So gibt es im Kanton Waadt gegenwärtig rund 2000 Steuerabkommen, eines davon wohl mit Formel-1-Star Schumacher … Obwalden hingegen wird Grossverdiener trotz degressivem Steuersatz auch künftig stärker zur Kasse bitten als die steuergünstigen Konkurrenzkantone.