Schaffhauser Nachrichten: Wieder etwas Zuversicht

Nachdem die beiden Geiseln in die Schweizer Botschaft zurückkehren konnten, herrscht in Bern wieder verhaltener Optimismus in der Libyen-Affäre.

von Michael Brunner

Damit hatten die Mitglieder der Aussenpolitischen Kommission des Ständerates nicht gerechnet. Während ihrer gestrigen Sitzung erfuhren sie, dass die beiden Geiseln in Libyen überraschend in die Schweizer Botschaft zurückkehren konnten. Dem Vernehmen nach sind sie mit dem Taxi vor der Botschaft vorgefahren und haben angeklopft. Mitte September waren sie unter einem Vorwand aus der Botschaft gelockt und an einen unbekannten Ort verschleppt worden. Das war der bisherige Höhepunkt der diplomatischen Verstimmung zwischen der Schweiz und Libyen, die im Sommer 2008 mit der Verhaftung eines Sohnes von Staatschef Muammar al Ghadhafi in Genf begonnen hatte.

Zufrieden mit dem Bundesrat
Nach ihrer Kommissionssitzung wirkten die Ständeräte gestern ziemlich gelöst. Das hat einen, vielleicht auch zwei Gründe. Sicher ist, dass sie für die beiden Geiseln und deren Angehörige erleichtert sind. Unsicher ist, ob ihnen Bundesrätin Micheline Calmy-Rey in der geheimen Sitzung gute Chancen auf eine baldige Heimreise der beiden Geiseln in Aussicht gestellt hat. Auffällig war, dass mehrere Ständeräte sagten, sie würden die Strategie des Bundesrates unterstützen. Ob es diese Strategie und insbesondere die Verschärfung der bundesrätlichen Position (Sistierung des Vertrags mit Libyen, härtere Visabestimmungen) letzte Woche waren, die zu diesem ersten kleinen libyschen Einlenken führten, blieb gestern unklar. So begründete Libyen die Rückführung der beiden Schweizer nicht. Erst am Wochenende hatte Libyens Vizeminister Chaled Kaim der «NZZ am Sonntag» telefonisch mitgeteilt, der Bundesrat müsse öffentlich die Aussagen eines Parlamentariers verurteilen, der zur Freilassung der Geiseln eine Kommandoaktion gegen Libyen erwogen habe. Auch müsse die Regierung Medienberichte rügen, wonach einer der Schweizer mit seinem tunesischen Pass vorübergehend aus Libyen aus- und wieder eingereist sei. Laut der Schweizer Seite wurde aber nicht auf diese Forderungen eingegangen. Unklar ist weiterhin, wo die Geiseln festgehalten wurden. Sie seien aber nicht schlecht behandelt worden und bei guter Gesundheit, sagte Calmy-Rey, die bereits mit den beiden telefonieren konnte.

«Zurück auf Feld 1» 
Bei aller Erleichterung und verhaltener Zuversicht blieben gestern auch die Aussenpolitiker des Ständerates vorsichtig. «Wir sind lediglich zurück auf Feld 1», bilanzierte der Schaffhauser SVP-Ständerat Hannes Germann. Die Rückkehr auf die Botschaft sei ein erster positiver Schritt hin zur Deeskalation, sagte der St. Galler CVP-Ständerat Eugen David. «Es ist gut, dass sich nun etwas bewegt», findet der Zürcher FDP-Ständerat Felix Gutzwiller. Aber wohin diese Bewegung führe, sei noch unklar. Ähnlich sieht dies der Schaffhauser FDP-Ständerat Peter Briner. Die Situation bleibe sehr unberechenbar. Und Germann brachte die Befindlichkeit der meisten auf den Punkt: «Ich traue der Sache nicht recht.»