Bundesanwalt Erwin Beyeler kann nicht im Amt bleiben. Die Vereinigte Bundesversammlung hat ihn gestern knapp nicht wiedergewählt. Der Schaffhauser erhielt lediglich 109 von 227 Stimmen – 114 hätte er für das absolute Mehr gebraucht. Doch die Unterstützung fehlte ihm in allen politischen Lagern.
von Raphaela Birrer
Die eidgenössischen Räte haben gestern entschieden, das Amt des Bundesanwalts neu zu besetzen. Erwin Beyeler, der es seit vier Jahren innehatte, wurde nicht wiedergewählt. Er erhielt 109 von 227 gültigen Stimmen; nur fünf Stimmen fehlten dem Schaffhauser für das absolute Mehr – ein sehr knapper Wahlausgang. Damit folgte das Parlament der Empfehlung der Gerichtskommission nicht; sie hatte Beyeler zur Wiederwahl vorgeschlagen. Allerdings war bereits diese Wahlempfehlung mit neun zu sieben Stimmen bei einer Enthaltung knapp ausgefallen. Es war davon auszugehen, dass sich diese Spaltung auch im Parlament widerspiegeln würde, denn Beyeler war parteiübergreifend umstritten. Die Positionsbezüge der Parteien schienen letzte Woche jedoch auf eine Wiederwahl hinzudeuten.
Die SP-Fraktion sprach sich für den amtierenden Bundesanwalt aus, die FDP – Beyelers Partei – signalisierte breite Unterstützung, und in der CVP kündigte eine Zweidrittelmehrheit an, für ihn zu stimmen. Die Grünen beschlossen Stimmfreigabe – dass Beyeler aus diesem Lager nur wenig Unterstützung erhalten würde, hatte sich früh abgezeichnet. Einzig die SVP bezog im Vorfeld deutlich Stellung gegen den Schaffhauser. Dem Parlament gegenüber begründete Nationalrat Christoph Mörgeli (ZH) diese Haltung mit Beyelers undurchsichtiger Rolle in der Affäre Holenweger. Zudem wirft die SVP Beyeler vor, von einem mutmasslichen Komplott gegen alt Bundesrat Christoph Blocher gewusst zu haben.
«Politische Machtdemonstration»
Die 118 Gegenstimmen verdeutlichen aber, dass längst nicht nur SVP-Mitglieder Beyelers Wiederwahl verhindert haben – dem Schaffhauser haben Stimmen aus allen Lagern gefehlt. Kritiker warfen ihm parteiübergreifend Führungsschwäche und mangelnde Integrität vor. Zudem habe er zwar die schwierigsten Fälle von seinem Vorgänger übernommen, diese aber verschleppt. «Eine politische Machtdemonstration, der Wunsch nach einem Neuanfang sowie Kritik an der Person waren die Beweggründe für diese Abwahl», glaubt Gerichtskommissionspräsident Reto Wehrli (CVP/SZ). «Die Kommissionsmehrheit ist aber der Meinung, dass die Kritik nicht stichhaltig ist. Zudem wäre eine Wiederwahl für die Stabilität der reorganisierten Behörde wichtig gewesen.» Für Philipp Stähelin (CVP/TG) kommt die verpasste Wiederwahl nicht unerwartet. «Beyeler war in der Kommission und in der Öffentlichkeit umstritten.» Viele Parlamentarier sind dennoch überrascht über den Wahlausgang. «Ich bin davon ausgegangen, dass es Beyeler knapp für die Wiederwahl reichen würde», sagt etwa SVP-Ständerat Hannes Germann (SH). «Viele haben nicht so gestimmt, wie sie es angekündigt hatten», so CVP-Präsident Christophe Darbellay. Hans-Jürg Fehr (SP/SH) weist darauf hin, dass Beyeler im Vorfeld von der Mehrheit der Fraktionen unterstützt wurde. Und Germann meint: «Das Parlament wollte Beyeler offensichtlich einen Denkzettel verpassen – dass dieser in einer Abwahl münden würde, hätten wohl viele nicht gedacht.» Dabei habe die SVP keineswegs geschlossen gegen den Bundesanwalt gestimmt, weiss Nationalrat Thomas Hurter (SVP/SH). Die mangelnde Unterstützung sei auch in den anderen Parteien zu suchen.
Chance für gute Leute
Sie fürchten, dass nach der Abwahl Beyelers gute Kandidaten verzichten, aus Angst, ihnen könnte das gleiche wiederfahren. «Die Gefahr besteht, dass jemand lieber in seiner Kantonshauptstadt bleibt, statt nach Bern zu kommen», sagt der Thurgauer SVP-Ständerat Hermann Bürgi. Noch weiter geht die Winterthurer SP-Nationalrätin Chantal Galladé : «Einem guten Kollegen oder einer guten Kollegin würde ich von einer Kandidatur abraten. Wer will sich das schon antun?» Andere Politiker sehen das anders. «Bundesanwalt ist ein Job, der nicht schwieriger ist als andere solche Führungsaufgaben auch», sagt der Thurgauer CVP-Ständerat Philipp Stähelin. Und der Zürcher SVP-Nationalrat Christoph Mörgeli, einer der härtesten Kritiker Beyelers, glaubt, dass sich ein Bundesanwalt durchaus profilieren kann. «Das ist attraktiv für potenzielle Kandidaten.» Auf konkrete Namen will sich übrigens bisher noch kaum jemand einlassen. Einzig Mörgeli sagt, wer aus seiner Sicht sicherlich nicht Bundesanwalt werden sollte: Es sind dies Lienhard Ochsner und Thomas Hansjakob. Ochsner hat die erfolglose Klage gegen Oskar Holenweger, einen Bekannten Mörgelis, vor Gericht vertreten. Hansjakob ist als nebenamtlicher eidgenössischer Untersuchungsrichter mit dem Fall Holenweger betraut.