Schaffhauser Nachrichten: Freier Zugang für Produkte aus EU

Produkte aus der EU sollen ohne zusätzliche Prüfung in der Schweiz verkauft werden dürfen. Der Ständerat machte aber so viele Ausnahmen, dass der Nutzen für die Konsumenten beschränkt bleibt.

von Michael Brunner

Bundesrätin Doris Leuthard ist vor zweieinhalb Jahren mit dem Anspruch angetreten, die Hochpreisinsel Schweiz zu schleifen. Gestern nun errang sie in ihrem Kampf für tiefere Preise im Ständerat einen Etappensieg. Doch zumindest aus Sicht preisbewusster Konsumenten ist der Ständerat bei der Behandlung des Bundesgesetzes über die technischen Handelshemmnisse auf halbem Weg stehengeblieben. Zwar sprach er sich für das Cassis-de-Dijon-Prinzip aus (vergleiche Kasten unten). Waren, die in der EU rechtmässig gehandelt werden, dürfen damit auch in der Schweiz verkauft werden. Doch der Rat macht gewichtige Einschränkungen. Einerseits will er 19 Fälle ganz vom Cassis-de-Dijon-Prinzip ausnehmen. Andererseits gilt das Cassis-de-Dijon-Prinzip für Lebensmittel nur eingeschränkt. So brauchen Lebensmittel aus der EU bei der erstmaligen Einfuhr in die Schweiz auch künftig eine Bewilligung.

Sicherheit versus Öffnung 
Diese Spezialregelung für Lebensmittel, die der Bundesrat aufgrund der Vernehmlassung eingebracht hatte, löste im Ständerat heftige Diskussionen aus. Richtig fand die Berner SP-Ständerätin Simonetta Sommaruga den eingeschlagenen Weg. Es gelte einen Mittelweg zwischen Marktöffnung und Sicherheitsbedürfnis zu finden. «Wir sollten nicht warten, bis der nächste Lebensmittelskandal kommt, und dann wieder unter höchstem Druck irgendwelche Gesetzgebung machen.» Eine vom Schaffhauser SVP-Ständerat Hannes Germann angeführte Minderheit wollte gar eine weiter gehende Ausnahmeregelung. Sie forderte, weitere Produkte, mit denen die Menschen besonders eng in Kontakt kommen, gemeint sind etwa Kosmetikartikel oder Spielzeug, einer Bewilligungspflicht zu unterstellen. Eugen David (CVP/SG) dagegen führte eine Minderheit an, die auf eine Ausnahmeregelung verzichten wollte. «Wir dürfen darauf vertrauen, dass Lebensmittel, die im EU-Raum rechtmässig im Verkehr sind, auch für Schweizer Konsumenten keine Gefahr sind», sagte David. Letztlich unterlagen sowohl Germann (9 zu 31 Stimmen) wie auch David (14 zu 23 Stimmen) mit ihren Anträgen gegenüber der von Sommaruga vertretenen Kommissionsmehrheit. Neben der Sonderregelung für Lebensmittel gab vor allem die Gefahr der Diskriminierung von inländischen Unternehmen zu reden. Weil das Cassis-de-Dijon-Prinzip einseitig eingeführt werden soll, profitieren die Schweizer Unternehmen generell weniger. Produzieren sie nach Schweizer Regeln, können sie demzufolge nicht automatisch in die EU exportieren. Diese Einseitigkeit stösst vielen sauer auf. Die Befürworter begründen ihr Vorgehen damit, dass eine gegenseitige Lösung langwierige Verhandlungen mit der EU bedingen würde. Besonders schwierig ist die Lage für Betriebe, die nur für die Schweiz produzieren. Diese sollen nun unbürokratisch beantragen können, ebenfalls nach EU-Recht zu produzieren. Germann sagt, diese verbesserte Regelung sei immerhin etwas, «aber die einseitige Einführung des Cassis-de-Dijon-Prinzips finde ich trotzdem nicht gut.» Er enthielt sich daher bei der Gesamtabstimmung.