Hannes Germann zu den AHV-Vorlagen, über welche die Stimmbürger am 16. Mai entscheiden
Die AHV ist eine von drei tragenden Säulen unserer Altersvorsorge – genauer gesagt: die erste und wohl auch die wichtigste. Wenn nun ausgerechnet die jüngeren Menschen den Glauben an die Zukunft dieses Sozialwerkes zunehmend verlieren, muss uns das zu denken geben. Denn sie und ihre Kinder sind es, die dereinst für die Finanzierung der Renten von uns heute Erwerbstätigen aufkommen sollen. Doch wo liegt das Problem? Bei der Gründung der AHV (1948) zahlten 9 Erwerbstätige eine AHV-Rente, 1970 waren es immerhin noch 4,6. Seither sind die Leistungen kontinuierlich angepasst und ausgebaut worden, sodass die künftige Finanzierung grösste Sorgen bereitet.
Heute sind es wegen der gestiegenen Lebenserwartung und rückläufiger Geburtenraten gerade noch 3,6 Erwerbstätige, die eine AHV finanzieren müssen. 2035 werden es noch 2,3 sein. Das heisst: Immer weniger zahlen für tendenziell bis anhin immer höhere Rentenleistungen. Eine Rechnung, die auf Dauer nicht aufgehen kann. Panik und Angstmacherei wären aber ebenso verfehlt wie nach SP-Manier einfach so zu tun, als bestünden die langfristigen Probleme nicht. Die Gegner der Vorlage sagen: «Hände weg von der AHV.» Die Generationen nach uns sollen dann für unsere hohen Bezüge geradestehen. So geht das nicht. Um das Vertrauen in das beispielhafte Solidaritätswerk AHV wieder herzustellen, braucht es klare Signale. Dies geschieht mit der 11. AHV-Revision. Ein Ja ist ein Bekenntnis zu einer finanziell gesunden AHV und zur langfristigen Sicherung unserer ersten Säule. Gleichzeitig trägt die Revision auch dem Bedürfnis nach mehr Flexibilität beim Altersrücktritt Rechnung. Allerdings nicht – wie von linken Kreisen gefordert – zum Nulltarif für jene, die das Privileg haben, von der Möglichkeit einer Frühpensionierung zu profitieren. Heute sind das in aller Regel Besserverdienende. Mit welchen Kernpunkten werden die erwähnten Zielsetzungen Konsolidierung, Sicherung und Flexibilisierung der AHV erreicht? Zum einen sieht die 11. AHV-Revision das gleiche Rentenalter für Frauen und Männer ab dem Jahr 2009 vor. Die bereits bei der 10. AHV-Revision eingeführte Flexibilisierung wird weitergeführt und für die Frauen der Übergang von 64 auf 65 vergünstigt. Ab 59 Jahren kann man eine Halbrente und ab Alter 62 eine Vollrente mit mathematischer Kürzung vorbeziehen. Zusätzlich zum erleichterten Vorbezug, der den Frauen bereits mit der 10. AHV-Revision zugestanden wurde, können Frauen der Jahrgänge 1948 bis 1952 zwölf ganze Monatsrenten mit dem privilegierten Kürzungssatz von 3,4 Prozent vorbeziehen. Die Anpassung der Witwenrente von 80 auf 60 Prozent einer Altersrente bereitete mir zunächst am meisten Mühe. Aus drei Gründen ist der Schritt – dank einer im Ständerat vorgenommenen Verbesserung der Vorlage – dennoch vertretbar: 1. Die bisherigen Ansprüche aller Witwen bleiben unangetastet. 2. Im Gegenzug zur Reduktion bei den Witwenrenten werden die Waisenrenten von heute 40 auf neu 60 Prozent erhöht. Das ist eine klare Besserstellung von Familien mit mehreren Kindern. 3. Es gelten grosszügige Übergangsfristen von 13 bis 15 Jahren. Jüngere Witwen sollen – und wollen dies in der Regel auch – im Arbeitsprozess bleiben oder aber wieder integriert werden. Mit diesen moderaten Anpassungen werden die Weichen für die langfristige Sicherung der AHV gestellt.
Beim Finanzierungsbeschluss kann man geteilte Auffassungen haben: Ich meine, dass wir keine Mehrwertsteuererhöhungen auf Vorrat beschliessen sollten. Das weckt nur neue Begehrlichkeiten. Vor allem aber sind Mehrwertsteuerprozente unsozial, benachteiligen Familien und würden unsere Kaufkraft empfindlich schwächen. Die zweifellos grossen Probleme der IV (Finanzierung und Missbrauch) müssen zwar gelöst werden. Aber bitte abgekoppelt von der AHV.