Schaffhauser Nachrichten: Beim Agrarfreihandel einen Pflock eingeschlagen

In den ersten beiden Wochen der Frühjahrssession hat der Ständerat gut 70 von rund 110 Traktanden erledigt. Umstritten sind jedoch nicht die grossen Brocken, sondern vielmehr eher kleine, aber nicht minder brisante Geschäfte.

Von Hannes Germann

Erfreulich und doch eher überraschend hat sich der Ständerat beim Agrar-freihandel mit der EU für einen Marschhalt entschieden. Wenigstens einer von drei Vorstössen aus dem Nationalrat, die einen Unterbruch oder gar Abbruch der Verhandlungen forderten, ist vom Ständerat überwiesen worden. Eine Dreier-Minderheit aus SVP und Grünen (Föhn, Germann, Recordon) fand im Ständerat überraschend starken Sukkurs. Dabei folgte er dem Nationalrat bei der Motion Christophe Darbellay (CVP/VS), welche die Verhandlungen stoppen möchte, mit 26 zu 16 Stimmen.

Ein Schwenker der starken CVP-Gruppe hatte den Umschwung im Ständerat ermöglicht. Zu gross sind die Bedenken bezüglich der existenzbedrohenden Ausfälle in der Schweizer Landwirtschaft. Einen kompletten Verhandlungsabbruch, wie es die Motion von Rudolf Joder (SVP/BE) respektive der Nationalrat forderte, lehnte der Ständerat jedoch ab. Aber immerhin ist die bisherige Euphorie einer nüchternen Betrachtungsweise gewichen – dies nicht zuletzt auch aus ökologischen Überlegungen. Erfreulich ist ausserdem auch noch ein anderes Geschäft ausgegangen: Wer einen Entscheid zu Leistungen von Sozialversicherungen vor Gericht anzufechten gedenkt, soll für das Verfahren grundsätzlich bezahlen müssen. Das hat nach dem Nationalrat nun auch der Ständerat entschieden und eine entsprechende Motion der SVP überwiesen. Und noch eine weitere Differenz ist bereinigt worden. Die Mehrheit des Ständerates hat an der Via-Sicura-Vorlage, an einem Mindestalter für Velofahrer und an der Helmtragepflicht festgehalten. Neu schlagen wir aufgrund der vielen schweren Unfälle zudem einen Artikel zu Fussgängerstreifen vor. Eine andere Differenz bleibt indes bestehen: Im Gegensatz zum Nationalrat will die kleine Kammer wie der Bundesrat bei der Messung des Zustandes von angetrunkenen Autolenkern stärker auf Atem- statt auf Blutproben setzen. Der Ständerat hat eine Motion aus dem Nationalrat – mit Stichentscheid des Präsidenten – angenommen. Volksinitiativen, die den Kerngehalt der Grundrechte verletzen, sollen vom Parlament künftig noch vor einer Abstimmung für ungültig erklärt werden können. Der Bundesrat muss nun eine Verfassungsänderung ausarbeiten. Aus meiner Sicht kann es allerdings nicht angehen, die bewährten Volksrechte zu schmälern. Beim direkten Gegenvorschlag zur Volksinitiative «Jugend und Musik» soll der Bund analog zum Bildungsartikel in der Verfassung Regelungskompetenzen erhalten. Ob sich damit ein Kompromiss zugunsten der Initianten abzeichnet? Man wird sehen, was der Nationalrat damit macht. Schliesslich ist auch im Asylbereich ein Pflock eingeschlagen worden. Vorläufig Aufgenommene mit F-Ausweis sollen nur noch in Ausnahmefällen Auslandsreisen unternehmen dürfen. Bisher hat man grosszügig zugeschaut, selbst wenn sie in das Land verreisten, in dem sie angeblich verfolgt werden. Der Ständerat hat in dieser Frage eine Motion der Aargauer Nationalrätin Sylvia Flückiger (SVP) mit 20 zu 17 Stimmen an den Bundesrat überwiesen. Mal sehen, was die dritte Sessionswoche noch an Überraschungen zu bieten hat.

Hannes Germann (SVP) ist Schaffhauser Ständerat.