Von Zoltan Tamassy
Die Steuerschlupflöcher in britischen Steueroasen sind noch lange nicht gestopft. Das jüngst in London mit viel Hurra verkündete Abkommen ist noch nicht im Detail ausformuliert.
Schaffhausen Der britische Finanzminister George Osborne hatte es als grossen Wurf gegen Steuerparadiese verkauft. Die britischen Steuerfinanzplätze Anguilla, Bermuda, Cayman Islands, British Virgin Islands, Montserrat sowie Turks und Caios wollen ein Abkommen mit Grossbritannien über den automatischen Austausch von Informationen über Bankkonten abschliessen. Bei näherem Hinsehen muss das Hurra aus London allerdings relativiert werden.
Wem gehört das Geld?
Denn eines der Kernprobleme im Zusammenhang mit der Trockenlegung von Steuerparadiesen ist gemäss Monika Roth, Rechtsprofessorin an der Hochschule Luzern, die Behandlung von Briefkastenkonstruktionen. Hier seien Fragen wichtig wie: «Wer ist der sogenannte Beneficial Owner dieser Firmen, wem gehört also schliesslich das Geld?» Ob mittels des angekündigten Abkommens auf diese grundlegenden Fragen eine Antwort gegeben werden könne, sei heute aber völlig offen, da noch gar kein Abkommenstext vorliege. Gemäss britischer Ankündigung wird das Abkommen mit den Offshore-Inseln auf Deutschland, Frankreich, Italien und Spanien ausgedehnt. Diese hatten – zusammen mit Grossbritannien – ihrerseits im Frühjahr 2012 mit den USA ein Abkommen unterzeichnet. Danach müssen die Finanzinstitute in den Unterzeichnerländern automatisch Informationen über die Konten ihrer US-Kunden an die amerikanischen Steuerbehörden senden. Umgekehrt versorgen die US-Finanzinstitute die Fiskalämter der europäischen Signatarländer jeweils mit Konteninformationen über deren Bürger.
Fatca als rechtliche Basis
Die rechtliche Basis dieses Abkommens bildet das 2010 von US-Präsident Barack Obama aufgegleiste Foreign Account Tax Compliance Act (Fatca), dessen Nichteinhaltung drakonische Strafen für Finanzinstitute vorsieht. 2012 hatte auch die Schweiz ein Fatca-Abkommen mit den USA unterzeichnet. Jüngst haben auch die EU-Mitglieder Österreich und Luxemburg – innerhalb der Union die letzten Kämpfer für das Bankgeheimnis für Ausländer – angekündigt, auf den Fatca-Zug aufspringen zu wollen. «Fatca ist eine Einbahnstrasse nach Amerika», sagt Monika Roth über den Charakter des US-Gesetzes. Was die EU-Länder unter sich im Kampf gegen Steuerflucht unternehmen würden, sei zwar eine andere Frage. «Viele europäische Politiker sagen sich jetzt aber: Was wir in die USA liefern müssen, können wir uns auch gegenseitig liefern», führt die Fachfrau weiter aus. «Und sie meinen damit Länder, die sich bisher nicht am automatischen Informationsaustausch beteiligt haben.»
Zentrale Position
Somit nimmt Fatca inzwischen eine zentrale Position im weltweiten Kampf gegen Steueroasen ein. Indessen wird das Gesetz bi- oder bisweilen auch multilateral angewandt und kann von Fall zu Fall unterschiedlich ausformuliert sein.
Nachgefragt Hannes Germann
Hannes Germann, wie ernst nehmen Sie die Ankündigungen von Grossbritannien, das Bankgeheimnis in den Steueroasen aufzuweichen?
Hannes Germann: Grossbritannien ist unter Druck. Man zeigt wie die EU gerne mit dem Finger auf die anderen, hat aber gleichzeitig diese Offshore-Finanzplätze. Das geht auf die Dauer nicht. Darum wohl diese Ankündigung. Sie ist ohnehin mit Vorsicht zu geniessen, solange gleichzeitig an den Trusts festgehalten wird.
Es ist also keine richtige Lockerung des Bankgeheimnisses?
Germann: Überhaupt nicht. Die angelsächsischen Trusts sind ideale Konstrukte, um als wirtschaftlich berechtigte Person von Vermögenswerten anonym zu bleiben. Das britische Vorgehen muss eher als Symbol gewertet werden, um sich aus dem Schussfeld zu nehmen.
In den letzten Tagen haben mit Österreich, Luxemburg und GB gleich drei Staaten grössere Zugeständnisse beim Bankgeheimnis gemacht. Was bedeutet das für die Schweiz?
Germann: Das ist noch unklar. Wir müssen die Situation sorgfältig analysieren. Für mich ist aber eindeutig: Die EU nutzte das US-Steuermonster Fatca (Foreign Account Tax Compliance Act), um ihre Mitglieder Österreich und Luxemburg zu bändigen. Wäre die EU nicht eingeknickt, so hätten die USA Fatca nicht weltweit durchsetzen können. Und nun ist die EU wild entschlossen, den Automatischen Informationsaustausch (AIA) durchzusetzen und als Standard zu etablieren.
Für ihr Gebiet gelingt das der EU wohl, aber für wie wahrscheinlich halten Sie es, dass der AIA OECD-Standard wird?
Germann: Das ist die Frage. Fakt ist: Die Schweiz hält im Moment alle OECD-Standards ein und bietet sogar noch mehr bis hin zur Beantwortung von Gruppenanfragen, die wir im Amtshilfegesetz festgelegt und bereits umgesetzt haben. Interessanterweise wird das entsprechende Abkommen ausgerechnet im US-Senat noch blockiert.
Dann soll die Schweiz zuwarten, bis weltweit einheitliche Standards gelten?
Germann: Nicht unbedingt. Ich bin eher der Meinung, man könnte eine offensive Rolle übernehmen. Wenn wir uns schon bewegen müssen, könnten wir auch fordern, dass diese Regelung auf OECD-Stufe festgelegt werden sollte. Denn das ist das einzige Gremium, das auch die entsprechenden Instrumente für die Lösung solcher Fragen hat.
Eine weltweite Regelung – sogar wenn diese Automatischer Informations-austausch heissen würde?
Germann: Im schlimmsten Fall auch das. Aber ich bezweifle stark, dass ein solcher AIA so beschlossen würde, wie es die EU wünscht: Mit Milliarden von Daten einzelner Transaktionen kann niemand etwas anfangen, ausser man will die Bürger ausschnüffeln. Die Staaten wollen aber primär Geld. Und wenn es sich um geschuldetes Steuergeld handelt, so haben sie auch ein Anrecht darauf. In Bezug auf Fatca bleibe ich aber dabei: Das ist eine absolute Frechheit. Die USA können mit den Erträgen aus Fatca ihren Jahresbedarf an Steuermitteln gerade für zwei Stunden sichern. Und dafür terrorisieren sie die halbe Welt. Die USA akzeptieren, dass China da nicht mitmacht. Das zeigt, dass es nicht um Gerechtigkeit, sondern um reine Machtpolitik geht.
Interview Sidonia Küpfer