Eine Mehrheit der Schaffhauserinnen und Schaffhauser sowie 15 von 26 Schaffhauser Gemeinden stimmen für die 13. AHV-Rente. Zur Finanzierung dieses Rentenausbaus haben die Ständeräte Hannes Germann und Simon Stocker unterschiedliche Vorstellungen. In einem Punkt sind sie sich aber einig.
Reto Zanettin
SCHAFFHAUSEN. Ja zur 13. AHV-Rente, Nein zu einem höheren Rentenalter. So ging der Abstimmungssonntag in der Schweiz, aber auch in Schaffhausen aus. Der Kanton galt nach Umfragen von Ende Februar zur 13. AHV-Rente als wankelmütig, das Forschungsinstitut GFS Bern stufte ihn als Kippkanton ein. Gestern stimmten nun aber 56,4 Prozent der Schaffhauserinnen und Schaffhauser für den Rentenausbau, während 43,6 Prozent dagegen waren. Neben den Zentren Schaffhausen und Neuhausen befanden sich weitere 13 Gemeinden im Ja-Lager: Bargen, Beringen, Dörflingen und Thayngen beispielsweise. Nein sagten 11 Gemeinden, darunter Beggingen, Hallau und Stetten. Chancenlos blieb derweil die Renteninitiative, die das Rentenalter an die Lebenserwartung koppeln wollte: 29,8 Prozent waren dafür, 70,2 Prozent lehnten das Volksbegehren ab, und keine der 26 Schaffhauser Gemeinden stimmte für die Rentenalteranhebung.
Stimmungswandel
Der Volksentscheid geht mit einem Stimmungswandel innerhalb von 8 Jahren einher. Im September 2016 lehnten die Schaffhauserinnen und Schaffhauser eine andere, gleich gelagerte Initiative ab, die AHV-plus-Vorlage. Mehr als 58 Prozent wollten nicht, dass es einen Zuschlag von 10 Prozent zur Altersrente gibt. Im Resultat von gestern zeigt sich nun, dass ein Rentenausbau auch in Schaffhausen mehrheitsfähig geworden ist.
Das Thema, das die Initianten der 13. AHV-Rente aufgebracht haben, reiche bis in die Mitte der Gesellschaft hin, ordnet SP-Ständerat Simon Stocker das Abstimmungsergebnis ein. Das Anliegen betreffe sehr viele Menschen. Der Schaffhauser Standesvertreter führt einen Kaufkraftverlust in den letzten Jahren ins Feld: «Gerade in den letzten zwei Jahren hat er nochmals ganz stark angezogen.» Stocker verweist beispielhaft auf die Erhöhung der Krankenkassenprämien sowie die Teuerung bei anderen Gütern. Die Leute hätten festgestellt, dass das Geld immer weniger weit reicht. «Diese Ausgangslage und dass die Politik das nicht ernst genommen hat, war ausschlaggebend», so der SP-Politiker.
Hannes Germann (SVP), der andere Schaffhauser Ständerat, stellt fest, dass das Vertrauen der Bevölkerung in den Staat seit der Coronapandemie gewachsen sei. In der Krise seien viele Unternehmen und viele Arbeitsplätze gerettet worden. Auch im Fall der Credit Suisse, die vor ziemlich genau einem Jahr unterging, sei der Staat bereit gewesen, Geld einzuschiessen. Das Gesamtpaket belief sich auf 259 Milliarden Franken. 4 Milliarden Franken betrug zudem der Rettungsschirm für den Stromkonzern Axpo. Das alles habe ein Rolle gespielt, so Germann. Bei den Leuten hätte sich der Eindruck eingestellt: «Es gibt Geld für alles, nur für uns nicht.» Jetzt wolle man auch mal etwas für sich beanspruchen.
Chancen unterschätzt?
Als sie sich mit der Volksinitiative zur 13. AHV-Rente befassten, verzichteten Bundesrat und Parlament auf einen Gegenvorschlag. Ausserdem lehnte der Ständerat das Volksbegehren mit 31 zu 10 Stimmen ab, der Nationalrat war mit 126 Nein- zu 69 Jastimmen ebenfalls deutlich dagegen. Eine klare Sache also – scheinbar. Simon Stocker bestätigt, dass die Politik die Chancen der Vorlage unterschätzt hat. Er spricht von einer «kapitalen Fehleinschätzung».
Hannes Germann verweist auf frühere Ausbauvorlagen, etwa die Volksinitiative «6 Wochen Ferien für alle», die im März 2012 scheiterte. Historisch betrachtet seien solche Vorlagen chancenlos geblieben. «Jetzt hat es einen Paradigmenwechsel gegeben», sagt er.
Germann hätte, wie er sagt, eine Anhebung der Minimalrente «bis gegen 1700 Franken» mitgetragen. Dieser Vorschlag sei nicht durchgekommen. Allenfalls hätte man einen Gegenvorschlag zur 13. AHV-Rente formulieren sollen, so der SVP-Ständerat. Die AHV sei aber selbst mit der 13. AHV-Rente und entgegen dem Verfassungsauftrag nicht existenzsichernd. «Wir sind weiter gefordert, etwas für die tiefen Einkommen zu machen.»
Der Abstimmungskampf drehte sich über lange Strecken um die Frage nach der Finanzierung der 13. AHV-Rente. Es geht um mehrere Milliarden Franken pro Jahr. Insbesondere drei Wege stehen grundsätzlich zur Verfügung: Höhere Lohnbeiträge, eine höhere Mehrwertsteuer, ein höheres Rentenalter. Simon Stocker würde nach wie vor den Weg über Arbeitgeber- und Arbeitnehmerbeiträge einer Mehrwertsteueranpassung vorziehen. Die grosse Frage sei wohl, ob diese Variante mehrheitsfähig sei. Stocker erwartet allerdings, dass das Parlament den Abstimmungsgewinnern entgegenkommt.
Germann sagt: «Ich würde eine Lösung über die Mehrwertsteuer anstreben.» Höhere Lohnbeiträge würden Arbeitsplätze verteuern. Das sei schlecht, weil die Schweiz wirtschaftlich in einer globalen Konkurrenz stehe.
Somit liegen die beiden Schaffhauser Ständeräte in der Finanzierungsfrage über Kreuz: Stocker würde sie am liebsten über die Lohnbeiträge lösen, Germann bevorzugt über die Mehrwertsteuer.
Einig sind sie sich hingegen zu einem höheren Rentenalter. Da folgen sie dem Nein von Volk und Ständen zur Renteninitiative. Stocker sagt, spätestens seit dem gestrigen Abstimmungssonntag sei eine Anhebung des Rentenalters kein Thema mehr. Germann, der zur Renteninitiative Nein gesagt hat, hält fest: «Das Referenzalter bleibt bei 65, eine Erhöhung kommt nicht infrage.»
Video
Interviews mit Hannes Germann und Simon Stocker unter www.shn.ch/click