2008 wird die Sommersession mit der EM in der Schweiz zusammenfallen. Kein Problem, finden die Parlamentarier.
Von Michael Brunner
Bern – Stell dir vor, es ist Session, und keiner schaut hin. Genau dies droht im Sommer 2008. Denn trotz der Fussball-Europameisterschaft (EM) im eigenen Land, die am 7. Juni eröffnet wird, soll die dreiwöchige Sommersession wie gewohnt am ersten Montag im Juni beginnen. Das bestätigte Mariangela Wallimann, Generalsekretärin der Bundesversammlung. «Das Büro entscheidet über die Daten der Jahre 2007 und 2008 zwar erst am 1. und 2. September. Aber normalerweise wird vom Termin nicht abgewichen.»
Mit der Terminkollision können Ostschweizer Parlamentarier gut leben. Selbst bei der sportbegeisterten SVP wird keine Verschiebung der Session gefordert. «Alternativer Termin wäre wohl die Ferienzeit», sagt der Schaffhauser Ständerat Hannes Germann: «Das ist auch nicht besser.» Germann stand zu seinen besten Zeiten als Aktivfussballer im Tor des damaligen 1.-Ligisten FC Schaffhausen und stürmt heute für den FC Nationalrat. Für die Parlamentarier sieht er sogar Vorteile der Terminkollision: «Wenn wir sowieso in Bern sind, dann haben wir eher Gelegenheit, ein EM-Spiel im Stade de Suisse zu besuchen.»
Parlamentarier fiebern mit
Auch der Thurgauer SVP-Nationalrat Peter Spuhler will einen Match besuchen. «Dass die Europameisterschaft in der Schweiz stattfindet, ist ein Hit. Das will ich unterstützen.» In erster Linie ist der Vizepräsident des Verwaltungsrates der ZSC Lions aber Eishockeyaner: «Daher trifft es mich persönlich nicht so hart, dass Session und EM gleichzeitig stattfinden.» Eine Verschiebung der Session wäre laut Spuhler auch deshalb übertrieben, «weil parallel zur Session fast permanent irgendetwas los ist».
«Das bringen wir gut nebeneinander über die Bühne», sagt die Thurgauer SP-Nationalrätin Edith Graf- Litscher. Die Politikerin treibt selbst häufig Sport, gerade jetzt während der Ferien. Der Schaffhauser FDP-Nationalrat Gerold Bührer fände eine Verschiebung ebenfalls übertrieben. Klar werde der Nationalratssaal weniger gut besetzt sein, wenn die Schweiz spielt – besonders, wenn die Nationalmannschaft erfolgreich sein sollte. «Dann werden viele in der Wandelhalle vor dem Fernseher sitzen, wahrscheinlich auch ich», gibt der regelmässige Besucher der Heimspiele des FC Schaffhausen und Spieler des FC Nationalrat unumwunden zu. Kein Grund zur Verschiebung also, aber das Ratsgeschäft wird schon leiden. Hannes Germann kann sich auch das Gegenteil vorstellen: «Vielleicht kommen wir im Rat auch schneller voran, wenn alle nachher den Match in Ruhe schauen wollen.»
Politik als Gegengewicht
Über die eingeschränkte mediale Wirkung ihres politischen Tuns während der EM machen sich die Politiker keine Illusionen. «Sport hat in der öffentlichen Kommunikation einen enormen Stellenwert», sagt auch Kommunikationsberater Marcus Knill aus Uhwiesen. Er beriet während mehrerer Olympischer Spiele die Schweizer Sportlerinnen und Sportler. «Medienmässig wird sich im Sommer 2008 alles auf die EM fokussieren», ist Knill überzeugt.
Doch trotz dieser schwierigen Ausgangslage wollen die Ostschweizer Politiker im Sommer 2008 das Feld nicht kampflos König Fussball überlassen. «Dann müssen wir halt besonders interessante Themen besetzen, um Aufmerksamkeit zu erlangen», sagt Graf-Litscher. Und Hannes Germann doppelt nach: «Viele weniger Sportinteressierte werden froh sein, wenn in den Medien noch ein anderes Thema vorkommen wird.» Auch Kommunikationsberater Knill sieht die Politiker nicht ganz auf verlorenem Posten: «Wenn etwas politisch wirklich unter den Nägeln brennt, dann interessiert das die Leute selbst während der EM.» Und wenn die Schweizer Nationalmannschaft an der EM gross auftrumpft und die Politiker trotz professioneller Kommunikation kaum wahrgenommen werden? Hannes Germann erinnert daran, dass Politik nicht nur für die Galerie gemacht wird: «Wenn wir dafür umso bessere Gesetze machen, wäre allen gedient.»