von Martin Edlin
Der Steuerwettbewerb zwischen Kantonen und Gemeinden mit dem Ziel, Superreiche anzulocken, führe zu derartigen Verzerrungen, dass «die Schmerzgrenze erreicht ist». Das sagte an einem Podiumsgespräch, zu dem das «Politforum SP am Puls» ins Restaurant Falken eingeladen hatte, nicht etwa die sozialdemokratische St. Galler Nationalrätin Hildegard Fässler als Befürworterin der Steuergerechtigkeits-Initiative, sondern SVP-Ständerat Hannes Germann. Das kleine Häufchen Publikum horchte auf. Doch der Schaffhauser Standesvertreter hatte nicht das Lager gewechselt. Das Volksbegehren setzt für ihn nach wie vor «ein falsches Signal». Es greife in die kantonale und kommunale Steuerautonomie ein, brächte «wahnsinnige Schwierigkeiten bei der Umsetzung» und gefährde den Steuerwettbewerb als «Erfolgsmodell, auch wenn er Schwächen aufweise». Deshalb setze er auf den noch verbesserungsfähi- gen Neuen Finanzausgleich (NFA), ja, könne sich sogar eine Festschreibung maximaler Steuerfuss-Unterschiede vorstellen. Doch das in zehn Tagen dem Souverän unterbreitete Volksbegehren gaukle bloss eine «Scheingerechtigkeit» vor, da es nur ein Prozent der Steuerpflichtigen, nämlich die Superreichen (jährlich über 250 000 Franken Einkommen, über zwei Mil-lionen Vermögen), betreffe. Geradezu philosophisch setzte der ehemalige Opfertshofer Gemeindepräsident hin- zu: «Gerechtigkeit wird es ohnehin nie vollständig geben.»
«Positive Wirkung für alle»
Hildegard Fässler entgegnete mit nicht weniger grundsätzlichen Argumenten: «Wir sagen Stopp zu einer allgemeinen steuerpolitischen Entwicklung, welche die Bestverdienenden und Schwerreichen bevorteilt.» Sie gab sich überzeugt, dass die Annahme der Initiative «für alle eine positive Wirkung» zeitige und den Mittelstand unbehelligt lasse. Dass «totale Steuergerechtigkeit» aber nur mit einer umfassenden materiellen Steuerharmonisierung zu erreichen sei, vermochte die SP-Nationalrätin nicht zu bestreiten.
«Drum sag ich’s noch einmal …»
Das Podiumsgespräch, von Radio-Munot-Geschäftsführer Wälz Studer etwas gar im Plauderton geleitet, brach immer dann in Divergenzen aus, wenn mit Beispielen wie etwa aus den Schaffhauser Gemeinden Stetten oder Rüdlingen, aber natürlich auch mit den berüchtigten Steueroasen in den Kantonen Schwyz oder Obwalden die Schokoladenseiten oder die Horrorszenarien aufgezeigt wurden. Mit von Hand in die Luft gezeichneten Steuerkurven liessen sich die Folgen eines Ja zum Volksbegehren ohnehin nicht beweisen. «Privilegierte Reiche in meiner Gemeinde sind mir lieber als keine», tönte es dementsprechend aus der einen Ecke des Publikums. Und aus der anderen wurde die durch Steueroasen in vieler Beziehung gefährdete Solidarität beschworen. Kurz: Die Argumente Pro und Kontra Steuergerechtigkeits-Initiative erklangen mit dem Refrain des frommen Kinderliedes: «Drum sag ich’s noch einmal …».