[Schaffhauser Nachrichten] «Im Nachhinein ist man immer klüger»

Grösster Kunde weg, Pionierprojekt gescheitert, teure Abschreiber und zu allem Übel auch noch eine Strafuntersuchung: Das Elektrizitätswerk des Kantons Schaffhausen ist unter Druck. Jetzt reden die Verantwortlichen.

Stehen in der Verantwortung: Ständerat Hannes Germann, Vizepräsident der EKS AG, und Regierungsrat Martin Kessler, Verwaltungsratspräsident der EKS AG. BILD SELWYN HOFFMANN
Stehen in der Verantwortung: Ständerat Hannes Germann, Vizepräsident der EKS AG, und Regierungsrat Martin Kessler, Verwaltungsratspräsident der EKS AG. BILD SELWYN HOFFMANN

Die Gesprächspartner
Martin Kessler (FDP, 50) ist Präsident des Verwaltungsrats des Elektrizitätswerks des Kantons Schaffhausen (EKS AG). Er ist Baudirektor des Kantons Schaffhausen. Hannes Germann (SVP, 61) ist Ständerat des Kantons Schaffhausen. Bei der EKS AG sitzt er seit 2009 im Verwaltungsrat, seit 2012 ist er Vizepräsident.

Von Zeno Geisseler und Mark Liebenberg

Das kantonale Elektrizitätswerk, die EKS AG, steht in der Kritik. Aus der Politik gibt es Vorwürfe an die Führung, die bis zu Rücktrittsforderungen reichen, und der Bund hat eine Strafuntersuchung ein- ­geleitet. Nun nehmen die Verantwort­lichen Stellung.

Herr Kessler, letzte Woche wurde bekannt, dass das Bundesamt für Energie (BFE)gegen das EKS im Zusammenhang mit verschiedenen Vorwürfen eine Strafuntersuchung führt. Was ist der derzeitige Stand?
Martin Kessler: Das Bundesamt für Energie hat das EKS aufgefordert, diverse Fragen zu beantworten. Das heisst noch lange nicht, dass etwas strafrechtlich Relevantes passiert ist, sondern es geht dem BFE darum, die Vorwürfe bewerten zu können.

Sie haben parallel dazu eine interne Untersuchung angekündigt. Wie ist dort der Zwischenstand?
Hannes Germann: Der unabhängige Gutachter hat eine erste Sachverhaltsbeurteilung vorgenommen und das Vorgehen der Prüfung konkretisiert. Er hat nach der ersten Sichtung festgestellt, dass keine Erkenntnisse vorliegen, die einen unmittelbaren Handlungsbedarf des Verwaltungsrats erfordern. Die rechtliche Beurteilung wird bis Ende Juli vorgenommen und dem Verwaltungsrat rapportiert.

Unabhängig von der jetzt laufenden ­Untersuchung stand das EKS auffallend oft unter medialem Druck und in politischer Kritik. Was ist mit dem Unternehmen los?
Kessler: In einem sich radikal verändernden Geschäftsumfeld steht das EKS kerngesund da. Mit einer Eigenkapitalquote von 84 Prozent sind wir hervorragend aufgestellt. Im Bereich des klassischen Strommarktes machen wir 90 Prozent unseres Gesamtumsatzes und liefern seriös, sicher und zuverlässig Strom rund um die Uhr, und dies zu einer grossen Kundenzufriedenheit.

Ganz offensichtlich gab es aber etliche Fehlentscheidungen, die «Prolux»-Schlappe, das Windrad Hans – da muss man Millionenbeträge abschreiben!
Germann: Falscher Standort, zu grosse Versprechungen: Das neue Windrad in Beringen hat die Erwartungen nicht erfüllt. Das Pilotprojekt sollte eine Marktnische mit einem innovativen Produkt schliessen. Durch das neue Energiegesetz, welches keine Fördergelder mehr für neue Windenergieanlagen vorsieht, ist eine ­erfolgreiche Vermarktung in der Schweiz chancenlos. Zurzeit läuft der Verkaufsprozess. Gemäss Vorsichtsprinzip ist «Hans» abgeschrieben worden.

Kessler: Das EKS ist mindestens zu einem Drittel im freien Markt tätig, das heisst, man geht mit den Entscheiden unternehmerische Risiken ein. Im Nachhinein ist man immer klüger. Andere EKS-Projekte waren ja durchaus erfolgreich, nehmen wir die Solaranlage auf dem Lipo-Park, die mehrfach ausgezeichnet worden ist. Oder den Energieverbund Neuhausen. Auch dazu musste man Risiken eingehen.

Germann: Kommt dazu, dass man zur gleichen Zeit die Tarife für die Kunden gesenkt hat. Die Kundenbindung funktioniert, wir bieten attraktive Strompreise und eine hohe Versorgungssicherheit. Leider stehen jetzt nur die Fehlschläge im Fokus.

Der grösste Firmenkunde, Georg Fischer, ist in Singen abgesprungen, die Gemeinde Gailingen hat den Anbieter gewechselt, der Leuchtenanbieter Prolux ist in Schieflage – wer ist verantwortlich für die Fehlschläge?
Germann: Zunächst möchte ich betonen, dass die EKS AG in schwierigstem Umfeld erfolgreich agiert. Wir liefern sicheren und günstigen Strom und sind wirtschaftlich sehr erfolgreich. 5,3 Millionen Franken Dividende und 2,5 Millionen Franken Steuern kommen der öffentlichen Hand zugute. Beim Joint Venture mit der Firma Prolux ging es darum, hohe Liquidationskosten zu vermeiden und Arbeitsplätze zu erhalten. Verwaltungsrat und Geschäftsleitung haben deshalb eine Güterabwägung gemacht und die Flucht nach vorn ergriffen.

Kessler: Gailingen war die letzte von zehn Gemeindekonzessionen, die im deutschen Markt neu vergeben wurden. Bis auf die­jenige von Gailingen haben wir alle gewonnen. Das letzte Wort ist noch nicht gesprochen, wir sind eigentlich zuversichtlich, dass die Gemeinde noch längere Zeit bei uns Strom beziehen wird.

Germann: Im liberalisierten Markt im deutschen Teil des Versorgungsgebietes gehen die Mitbieter offensiv auf Gemeinden zu, um sie abzuwerben. Wir alle, vor allem aber unser CEO, haben grosse Anstrengungen gemacht, um die Konzessionen zu behalten. Mit beachtlichem Erfolg. Aber jeden Auftrag kann man in einem freien Markt schlicht nicht gewinnen.

Kessler: Klar, der Verlust des grössten Kunden in Singen tut weh. Aber das ist nun mal die Realität im freien Wettbewerb. ­Dafür ist uns mit dem Kauf des dortigen Unterwerks ein guter Kauf geglückt, von dem wir bis in eine weite Zukunft profitieren werden.

Klartext: Ist Ihr Vertrauen in die EKS-Geschäftsleitung angekratzt?
Kessler: Wir sind verpflichtet, dieses Vertrauen auch immer wieder zu hinterfragen, das tun wir auch. Wir sehen andererseits das Geschäftsergebnis, wir sehen das, was gut läuft. Zugegebenermassen gibt es Problemfälle, über die auch wir im Verwaltungsrat uns nerven! Aber deswegen die ganze Geschäftsleitung infrage zu stellen, das geht auch nicht.

Germann: Wenn das Vertrauen nicht mehr gegeben wäre, müssten wir personelle Kon­sequenzen ziehen. Aber der Verwaltungsrat genehmigt nicht nur die strategischen Eckwerte des Unternehmens, sondern er hat als Oberleitungsorgan auch eine Kontrollfunktion. Und die nehmen wir sehr ernst. Darum haben wir aufgrund der Vorwürfe auch eine interne Untersuchung durch einen unabhängigen Gutachter eingeleitet. Wir wollen so rasch als möglich Klarheit schaffen, damit sich Geschäftsleitung und Angestellte wieder voll auf ihre Aufgaben konzentrieren können.

Die Kritik richtet sich nicht nur gegen die Geschäftsleitung, sondern zusehends auch gegen den Verwaltungsrat – ficht Sie das nicht an?
Kessler: Angriffe, die auf Personen zielen, findet niemand lustig, besonders wenn sie nicht gerechtfertigt sind. Wenn man sich das Geschäftsergebnis des EKS anschaut, wurden alle Erwartungen, die der Kanton als Hauptaktionär hat, erfüllt. Probleme sind nur an den Rändern des Gesamt­geschäftes aufgetaucht.

Germann: Als Verwaltungsrat haben wir ­verschiedene unentziehbare Aufgaben: Wir schauen primär, dass das Unternehmen erfolgreich am Markt agiert, und zweitens haben wir als Aktiengesellschaft im Besitz der öffentlichen Hand die Pflicht, der Eigentümerstrategie gerecht zu werden und eine angemessene Dividende abzuliefern. Dass es da zu gewissen Schwierigkeiten und Zielkonflikten kommen kann, ist nicht von der Hand zu weisen. Dieses Problem haben auch andere Stromunternehmen. So ist das EKS gehalten, in zukunftsträchtige Märkte im Bereich der erneuerbaren Energien zu investieren.

Die Geschäftsprüfungskommission des Kantonsrats wollte Ihrem Gremium nicht die Décharge erteilen, Sie nicht aus der Haftung entlassen wegen der Vorwürfe. Ein früherer Stadtpräsident schreibt, das EKS verschleudere Volksvermögen.
Germann: Das nach einem derart ­erfolgreichen Geschäftsjahr zu behaupten, ist nun wirklich nicht ­korrekt. Aber das muss man aushalten, das EKS gehört dem Kanton. Es steht jedem Bürger frei, sich dazu zu äussern. Die Zahlen sprechen ­allerdings eine ganz andere Sprache. Wir erzielen Gewinn, liefern ­Dividenden und Steuern ab, und die Bilanz ist mit über 84 Prozent Eigenkapital kerngesund! Es gab und gibt aus meiner Sicht keinen Grund, von einer Déchargeerteilung abzusehen.

Über die Zusammensetzung des VR gibt es divergierende Vorstellungen. Die GPK möchte mehr Fachkom­petenz, Teile des Kantonsrats wollen mehr politische Einflussnahme. Ist der Verwaltungsrat in seiner ­jetzigen Zusammensetzung für die aktuellen und kommenden ­Herausforderungen gewappnet?
Germann: Auf jeden Fall. Der VR ist mit starken Persönlichkeiten besetzt und erfüllt in seiner Gesamtheit die notwendigen Anforderungen. Heute haben wir Strommarktprofis, Finanz­experten, das politische Know-how in einem stark regulierten Markt, das unternehmerische Element und viel Führungserfahrung im Gremium. Also beste Voraussetzungen, um im Markt zu bestehen.

Sie, Herr Kessler, sind Regierungsrat und von Amtes wegen EKS-Präsident. Daneben führen Sie ja immerhin noch das Baudepartement. Ist der Aufwand noch vertretbar?
Kessler: Ich kann mich nicht be­klagen, dass es mir langweilig würde. Das Pensum für das EKS schwankt je nach aktuellem Aufwand und Aktivitäten. Normalerweise ist es ein ­halber Tag pro Woche, momentan eher mehr.

Sie als Regierungsrat müssen bei Ausgaben von mehr als 100 000 Franken das Parlament befragen. Die EKS-Geschäftsleitung kann bis zu eine Million Franken ohne ­explizites Okay des Verwaltungs­rates ausgeben. Hat die Geschäftsleitung – gemessen am Budget – nicht zu viel Macht?
Kessler: Nochmals: Die EKS AG ist ein privatwirtschaftlich organisiertes Unternehmen, und da gelten andere Regeln als beim Kanton. Ja, die Geschäftsführung trägt eine hohe Verantwortung, sie ist entsprechend qualifiziert und wird adäquat entlöhnt

Die Löhne sind ja in der Tat sehr grosszügig – und wurden jetzt auch noch erhöht. Ist dies das richtige Signal angesichts der Probleme?
Kessler: Das müssen wir klarstellen, es wurde von uns im Rahmen der Jahresrechnung schlecht kommuniziert, was wir auf unsere Kappe nehmen. Die Erhöhung der Lohnsumme um sieben Prozent gegenüber 2016 erklärt sich durch eine Umstellung auf ein Fixlohnsystem. Der erfolgsabhängige Lohnanteil aus 2016 wurde 2017 ausbezahlt, was zu einer Verzerrung führt. Nächstes Jahr wird wieder eine tiefere Summe ausgewiesen. Im Branchenvergleich sind die Kaderlöhne durchaus angemessen.

Sie haben angekündigt, dass die Eignerstrategie überprüft werden könnte. Was heisst das konkret?
Kessler: Es liegt am Kantonsrat, der Regierung eine entsprechende Richtung vorzugeben, wohin die Reise, zum Bespiel im Bereich der erneuerbaren Energien, gehen soll.

Meine Herren, besten Dank für das Gespräch.