Der Ständerat hat die Vorlage des Bundesrates mit Massnahmen gegen die Lohndiskriminierung an die Kommission zurückgewiesen. Der Antrag dazu kam vom Luzerner CVP-Ständerat Konrad Graber.
Von Doris Kleck
BERN. Die Basler SP-Ständerätin Anita Fetz gehört zu den undiplomatischen Politikerinnen im noblen Stöckli. Gestern warf sie ihrem Luzerner Ratskollegen Konrad Graber (CVP) vor, eine «Politik der übleren Sorte» zu machen. Dabei geniesst Graber den Ruf eines «Elder Statesman». Was war also geschehen, dass er solch einen Groll auf sich zog? Graber hatte einen Antrag eingereicht, um die Vorlage des Bundesrates mit Massnahmen gegen die Lohndiskriminierung an die Kommission zurückzuweisen. Konkret ging es um die Frage, ob Unternehmen künftig verpflichtet werden sollen, Lohnunterschiede zwischen den Geschlechtern transparent zu machen und regelmässig Lohnanalysen zu erstellen. Der Luzerner CVP-Ständerat sagte: «Ich bin ausdrücklich für Lohngleichheit. Ich bestätige, dass Handlungsbedarf besteht.» Die Vorlage des Bundesrates sei aber der falsche Weg.
Deshalb reichte er in letzter Minute einen Rückweisungsantrag ein: Die Kommission soll neue Modelle prüfen. Fetz warf Graber nun aber vor, ihm fehle der Mut, hinzustehen und zu sagen, dass er gegen die Massnahmen für mehr Lohngleichheit sei. Stattdessen zaubere er einen Rückweisungsantrag hervor und tue auch noch so, als sei sein Vorschlag besser. So wie Fetz redeten gestern viele Frauen. Ständerätin Anne Seydoux (CVP/JU) wurde vom Manöver ihres Parteikollegen überrascht und war «sehr enttäuscht». Maya Graf, Co-Präsidentin der Frauenorganisation alliance F, sprach von einer unehrlichen Verzögerungstaktik: «Wenn schon, dann sollen die Männer doch einfach sagen, dass ihnen die Lohngleichheit nicht wichtig ist.»
Vorlage bereits abgeschwächt
Die Befürworter der Vorlage führten ins Feld, dass dieser schon viele Zähne gezogen worden seien. Um sie mehrheitsfähiger zu machen, fügte die vorberatende Kommission zwei wesentliche Änderungen ein: Nur Unternehmen mit mehr als 100 Mitarbeitern (statt 50) sollten verpflichtet werden, alle vier Jahre eine Lohnanalyse zu machen. Zudem würde die Regelung nach zwölf Jahren hinfällig. Bereits nach der Vernehmlassung fielen zudem die Sanktionen raus.
Trotzdem kam der Antrag Grabers am Schluss durch – dank der Stimmen von SVP-, FDP- und CVP-Männern. Die bürgerlichen Gegner bezeichneten die Vorlage als bürokratischen Leerlauf. Der Schaffhauser Ständerat Hannes Germann (SVP) wies auf die Wirtschaftsfreiheit hin. Die Vorlage sei geprägt vom Zeitgeist, alles und jedes mit einem Gesetz regeln zu wollen.
Andrea Caroni (FDP/AR) bezweifelte, dass die nicht erklärbare Lohndifferenz von rund sieben Prozent ausschliesslich auf eine Geschlechterdiskriminierung zurückzuführen sei. Justizministerin Simonetta Sommaruga sagte, man führe die immer gleichen Diskussionen seit der Einführung des Verfassungsartikels für Lohngleichheit vor 37 Jahren. Es gebe jeweils drei Reaktionen auf konkrete Vorschläge gegen die Ungleichheit. Die erste: «Die Lohndiskriminierung ist nicht erwiesen.» Die zweite: «Man müsste schon etwas tun, aber nicht jetzt.» Und die dritte: «Tun wir etwas, aber nicht das.»
Mit dem Ja zum Rückweisungsantrag wählte der Ständerat die dritte Reaktion. Graber verlangt, dass die Kommission ein Modell mit Selbstdeklaration prüft. Ihm schwebt vor, dass jeder Firmeneigner am Schluss des Jahres unterschreiben muss, dass er das Lohngleichheitsgebot einhält. Graber sieht zwei Vorteile in diesem Vorschlag: Erstens würden alle Firmen erfasst, zweitens wäre es administrativ weniger aufwendig. Sommaruga hält jedoch wenig davon. Auch eine Selbstdeklaration setze eine Lohnanalyse voraus, sagte die Bundesrätin. Zudem sei die Zeit der Freiwilligkeit nach 37 Jahren vorbei.
Pirmin Bischof (CVP/SO) wiederum möchte, dass die Lohngleichheitsmassnahmen zuerst beim Bund, später bei Kanton und Gemeinden und erst am Schluss in Privatunternehmen umgesetzt werden. Zudem verlangt er stärkere Durchsetzungsmechanismen. Und er könnte sich Transparenzvorschriften wie in Deutschland vorstellen.
Graber will also den Anwendungsbereich vergrössern, aber gleichzeitig die Vorlage mehrheitsfähiger machen. Sprich auch SVP- und FDP-Politiker dafür gewinnen. Bischof wiederum fordert ein griffigeres Gesetz, wobei die Vorlage auf Druck der Wirtschaftsverbände extra abgeschwächt worden ist. Mit anderen Worten: Die Kommission muss das Ei des Kolumbus finden.