Volks- und Standesinitiativen haben es schwer, so lautet das Fazit aus der Frühjahrssession. Gelöst ist mit einer Nein-Bank im Parlament aber keines der wahren Probleme.
Forum Selbstbestimmungs-Initiative
Von Hannes Germann*
Der staatliche Eingriff in die Lohnpolitik der Unternehmen ist vorerst vom Tisch. Damit auch die staatlich anerkannten Lohngleichheitsexperten, welche der Bundesrat den Unternehmen mitsamt der Pflicht zu Lohngleichheitsanalysen aufs Auge drücken wollte. Sommarugas Bürokraten dürfen also noch nicht auf die Wirtschaft losgehen. Das ist gut so. Wenn schon, hätte die öffentliche Hand den grösseren Handlungsbedarf als die privaten Unternehmen. Denn während die «unerklärbaren» Lohndifferenzen in der Wirtschaft in den letzten zehn Jahren auf 7,5 Prozent halbiert werden konnten, haben diese in der Verwaltung und bei öffentlich-rechtlichen Unternehmen sogar noch zugenommen. Aber: Mit der Rückweisung an die Kommission ist noch keine brauchbare Lösung auf dem Tisch.
Zu denken gibt der Bundesrat auch in einem anderen, für unser Land und mich persönlich äusserst wichtigen Bereich, der Berufsbildung. Unsere hoch qualifizierten Berufsleute sind weltweit ein Aushängeschild für Schweizer Qualität und Verlässlichkeit. Nun möchte die Schweiz im Jahr 2023 die sogenannten World Skills, die Berufsweltmeisterschaften, durchführen. Der Bundesrat lehnt die notwendi- gen zehn Millionen Franken für junge Berufsleute freilich ab. Der gleiche Bundesrat fordert aber für die Winterolympiade Sion 2026 locker mal eine Milliarde Steuergelder. Da reibt man sich verwundert die Augen.
Die Beratung der Volksinitiative «Schweizer Recht statt fremde Richter» hatte im Ständerat einen schweren Stand. Immerhin zeigen die 15 Stimmen für einen Gegenvorschlag, dass man einen gewissen Handlungsbedarf durchaus anerkennt. Der Normenkonflikt existiert. Warum sollte jeder völkerrechtliche Vertrag automatisch über der von Volk und Ständen genehmigten Bundesverfassung stehen?!
Die Schweiz hat immerhin rund 4000 völkerrechtliche Verträge abgeschlossen, die meisten unterlagen keinem Referendum. Bis das Bundesgericht die zuvor bewährte Schubart-Praxis ohne Not über Bord geworfen hat, gab es kaum Probleme. Man kann nun für oder auch gegen die Initiative sein. Dass die Economiesuisse aber gar vor wirtschaftlichen Schäden eines Verfassungsvorrangs warnt, erstaunt doch einigermassen.
Ein Blick auf unseren wichtigsten Handelspartner Deutschland zeigt nämlich, wie unsinnig diese Argumentation ist. Denn das Bundesverfassungsgericht hat entschieden, dass es «Urteile aus Strassburg nicht umsetzen wird, wenn sie dem deutschen Grundgesetz widersprechen». Warum sollte also für die Schweiz nicht Recht sein können, was den Deutschen billig ist? Also, liebe Verbandsfunktionäre: nachdenken statt nachplappern.
Kurzen Prozess machte der Ständerat mit den beiden Volksbegehren zur Landwirtschaft. Sowohl «Fair Food» als auch «Ernährungssouveränität» nehmen berechtigte Anliegen auf. Was nach Annahme des Gegenvorschlages zur Initiative des Bauernverbandes in der Verfassung steht, reicht indes aus. Die entscheidenden Weichenstellungen erfolgen im Rahmen der AP 2022+ und anstehender Freihandelsabkommen wie Mercosur – offene Fragen bleiben zuhauf.
* Hannes Germann ist Schaffhauser Ständerat (SVP).