[Schaffhauser Nachrichten] Nach Abstimmung zur OECD-Reform: Will Schaffhausen wie andere Kantone das System austricksen?

Manche Kantone, darunter Schaffhausen, überlegen sich, die Unternehmenssteuern anzuheben. Die Ergänzungssteuer der Abstimmungsvorlage würde hinfällig. Das sorgt für Unmut.

Katrin Schregenberger

Wer das zusätzliche Geld durch die OECD-Mindeststeuer ausgeben darf, ist noch nicht definitiv ausgefochten. Bild: Key

Kantone mit dem Gedanken, die zusätzlichen Steuern selbst zu erheben statt einen Teil dieser Mehreinnahmen dem Bund zu überlassen. So auch Schaffhausen, wo aktuell eine Unternehmensgewinnsteuer von 13,8 Prozent gilt und im Rahmen der Steuer-AHV-Reform (Staf) gar 12,5 Prozent angepeilt wurden. Das führt zu Zwist unter den Kantonen, aber auch zwischen den politischen Lagern.

Stamm-Hurter informiert bald

Die OECD-Steuerreform sah vor, dass der Bund die Differenz zwischen dem neuen Mindeststeuersatz von 15 Prozent und den bisherigen kantonalen Unternehmensgewinnsteuern, die meist darunter liegen, mittels einer Ergänzungssteuer erhebt. Von diesen Mehreinnahmen fliesst ein Viertel an den Bund und drei Viertel an die Kantone. Einige Kantone wollen nun aber die Gewinnsteuern selbst auf 15 Prozent anheben und so die gesamten Mehreinnahmen für sich behalten, wie der «Tages-Anzeiger» berichtet hat. Namentlich genannt werden in dem Artikel, gestützt durch eine gut informierte Quelle, die Kantone Waadt und Schaffhausen. Die Schaffhauser Regierungsrätin Cornelia Stamm-Hurter schreibt auf Anfrage der SN: «Die Schaffhauser Regierung diskutiert die kantonale Umsetzung momentan und wird voraussichtlich nächste Woche kommunizieren.» Ein Dementi ist das nicht.

Schlecht kommen diese Pläne vor allem bei dem Zuger Finanzdirektor Heinz Tännler (SVP) an. Denn der Kompromiss, auf den sich Kantone und Bund letzten Sommer geeinigt haben, ist auch sein Werk. «Jetzt die Steuern zu erhöhen, ist demokratiepolitisch sehr fragwürdig und ein Affront für den Stimmbürger», sagte Tännler gegenüber dem «Tages-Anzeiger». Denn: Der Verteilschlüssel von 75/25 war Teil der politischen Diskussion, erhöhte die Akzeptanz der Reform im Parlament und in der Bevölkerung – und steht mit dem Ja zur Reform nun sogar in die Bundesverfassung. Aus rechtlicher Sicht ist eine Erhöhung der kantonalen Steuern jedoch legitim.

«Nicht redlich»

Auch die Parlamentarier aus Schaffhausen sind bezüglich Umsetzung der OECD-Reform nun gespalten. «Dass manche Kantone jetzt die Steuern anheben wollen, statt die Ergänzungssteuer einzuführen, ist nicht redlich», sagt SP-Nationalrätin Martina Munz. «Schon einen Tag nach der Abstimmung sagen manche Kantone: April, April, wir wollen jetzt alles für uns haben.» Und das, nachdem man eine Lösung erarbeitet habe, zu der auch die Kantone zugestimmt hätten, auch der Kanton Schaffhausen.

Die SP war als einzige Partei gegen die Reform – unter anderem forderte sie, dass der Grossteil der Mehreinnahmen an den Bund gehen solle. «Diese Kantone hätten im Voraus sagen können, dass sie das planen oder nicht ganz einverstanden sind, aber davon war nicht die Rede», ergänzt Munz. Zwei Kantone taten dies auch: So hat der Kanton Neuenburg seinen Steuersatz für Firmen bereits Anfang Jahr angehoben, laut «Tages-Anzeiger» allerdings nur für jene mit einem Gewinn von mindestens 40 Millionen Franken. Neuenburg setzt also auf ein Zweistufenmodell bei der Besteuerung. Und im Mai gab auch der Kanton Genf bekannt, die Unternehmensgewinnsteuern zu erhöhen. Die Schaffhauser Finanzdirektorin Stamm-Hurter hingegen stellte sich hinter die Kompromisslösung mit dem Bund – sie sitzt im Vorstand der Finanzdirektorenkonferenz, die den Kompromiss unterstützte.

Steuerwettbewerb erhalten

Die beiden SVP-Bundespolitiker aus Schaffhausen wiederum finden es vertretbar, wenn Schaffhausen auf eine Steuererhöhung zurückgreift: «Falls Schaffhausen die Gewinnsteuern auf 15 Prozent anheben will, statt eine Ergänzungssteuer einzuführen, dann ist das in Ordnung. Der Steuerwettbewerb zwischen den Kantonen soll bestehen bleiben, und Kantone sollen ihre Möglichkeiten ausschöpfen können. Sie haben die Firmen ja auch in die Region gebracht», sagt Nationalrat Thomas Hurter. Einen Bruch des Abstimmungsversprechens sieht er darin nicht: «Man macht damit nicht etwas ganz anderes als gesagt. Die Möglichkeit wurde schon in der Botschaft des Bundesrats erwähnt.» Hurter sage dies nicht, weil seine Frau Regierungsrätin ist. «Das sage ich aus Überzeugung.»

Auch SVP-Ständerat Hannes Germann glaubt nicht, dass die Kantonsregierung mit diesem Vorgehen gegen Treu und Glaube verstosse: «Wichtig bei dieser Abstimmung war ja, dass man Rechtssicherheit schafft und das Steuersubstrat in der Schweiz bleibt. Das erreicht man auf beide Weisen, ob nun über Ergänzungssteuer oder eine leicht höhere Gewinnsteuer.» Der Bund erhalte sowieso seine 8,5 Prozent des Unternehmensgewinns. Der parteilose Ständerat Thomas Minder fand keine Zeit, um mit den SN über die Umsetzung der OECD-Reform zu sprechen.

Und was findet der Bund, dem die Zusatzeinnahmen entgehen? «Der Bundesrat hatte in der Vernehmlassung vorgeschlagen, dass die Einnahmen aus der Ergänzungssteuer vollumfänglich den Kantonen zukommen sollen», schreibt das Finanzdepartement (EFD) auf Anfrage. Die Kantone seien bei der Festlegung ihrer Unternehmenssteuersätze frei. Der Bund lässt also keinerlei Unmut erkennen.