Schaffhauser Nachrichten: Plötzlich Tempo bei Atommüll-Endlager

Widerstandslos passierte im Ständerat eine SVP-Motion. Doch bei der Standortsuche sind die Meinungen geteilt.

Von Michael Brunner

bern – Die Standortwahl für ein Endlager für hochradioaktive Abfälle blockieren und so ein starkes Argument gegen ein neues Atomkraftwerk erlangen: Diese Taktik von linker Seite befürchten offenbar viele bürgerliche Ständeräte. Andere wiederum wollen einfach, dass das Problem Endlager rasch geklärt wird. Jedenfalls unterschrieben 31 von 37 bürgerlichen Politikern in der Kleinen Kammer eine Motion des Zürcher SVP-Ständerates Hans Hofmann, die fordert, dass bei der Suche nach einem Standort vorwärts gemacht wird. Angesichts der klaren Mehrheitsverhältnisse und weil auch der Bundesrat die Motion zur Annahme empfahl, verzichtete der Rat gestern auf eine Abstimmung.
Zu den wenigen, die die Motion nicht unterzeichnet haben, gehören die beiden Schaffhauser Ständeräte. Der Grund dafür ist klar: Sowohl Hannes Germann (SVP) wie auch Peter Briner (FDP) fürchten, dass bei einem raschen Vorgehen Alternativen zu Benken weniger sorgfältig geprüft werden. «Die Verantwortlichen könnten sich sagen, jetzt haben wir in Benken den Entsorgungsnachweis erbracht, hier geht es, was wollen wir mehr», fürchtet Germann. Zwar ist der Zusammenhang zwischen rascherem Vorgehen und einer stärkeren Priorität für Benken nicht zwingend. Aber Briner wie Germann wollen sich in diesem für sie politisch heiklen Dossier offensichtlich nicht unnötig exponieren. Umgekehrt nutzten sie die Debatte nicht, um sich gegen den Standort Benken zu wehren. Da kannte SVP-Nationalrat Maximilian Reimann aus dem Aargau, einem anderen möglichen Standort für das Atommüll-Endlager, weniger Hemmungen: Er verwies darauf, dass sein Kanton bereits viele andere Lasten für das gesamte Land trage und man ihm zudem nun auch noch den gekröpften Nordanflug aufbürden wolle. Reimann warb auch für die Möglichkeit, das Material im Ausland zu lagern. Eine Idee, der auch Germann einiges abgewinnen kann, wie er gegenüber den «Schaffhauser Nachrichten» erklärte: «Warum soll ein solches Endlager nicht in einer dünn besiedelten Region im Ausland entstehen?»
Anders als die Schaffhauser hatten die Thurgauer Ständeräte Hermann Bürgi (SVP) und Philipp Stähelin die Motion mitunterzeichnet, obwohl auch die Thurgauer Grenze nur wenige Kilometer von Benken entfernt verläuft. «In der Politik geht es immer darum, ein Problem innert nützlicher Frist einer Lösung zuzuführen», erklärte Bürgi seine Unterschrift. In der jetzigen Phase müssten nach naturwissenschaftlichen Kriterien rasch einer oder mehrere Standorte gesucht werden. Der politische Entscheid erfolge erst später.

Standortwahl 2010
Mit der Motion konnten auch die beiden Schaffhauser Ständeräte leben, nicht zuletzt deshalb, weil Bundesrat Moritz Leuenberger nochmals erklärte, dass Benken als Standort nicht gesetzt sei. Trotz des Gebots zur Eile hält er daran fest, dass unbedingt alternative Standorte geprüft werden müssen. Bis Ende 2006 sollen die Kriterien für die Standortwahl erarbeitet werden; dieser Prozess wird von einem Beirat begleitet, in dem der ehemalige Schaffhauser Regierungsrat Herbert Bühl sitzt. Die Standortwahl fällt dann im Jahr 2010, wenn Nachbohrungen nötig sind, 2014. Im Jahre 2040 schliesslich soll ein Lager für hochradioaktive Abfälle zur Verfügung stehen, so Leuenberger.