[Schaffhauser Nachrichten] Postauto-Skandal: Keiner will’s richten

(KEYSTONE/Gian Ehrenzeller)

Wegen fehlenden Know-hows dürfte es für das Bundesamt für Verkehr schwierig sein, im Postauto-Betrug zu ermitteln. Der Schaffhauser Ständerat Hannes Germann nimmt den Verwaltungsrat in die Pflicht.

Von Clarissa Rohrbach

Die Behörden schieben sich den Fall um den Postauto-Betrug gegenseitig zu. BILD KEY
Die Behörden schieben sich den Fall um den Postauto-Betrug gegenseitig zu. BILD KEY

BERN. Wer ist nun verantwortlich? Im Fall des Postauto-Betrugs schieben sich die Behörden gegenseitig den Fall zu. Denn: Niemand will sich daran die Hände verbrennen. Die Bundesanwaltschaft hat eine Strafanzeige des Bundesamts für Verkehr (BAV) zurückgewiesen, sie sei nicht zuständig. Auch der Berner Generalstaatsanwalt Michel-André Fels winkt ab. Nun ist unklar, wer in der Affäre ermitteln soll. Die Ratlosigkeit beim Bund ist gross. Laut einem Gesetz von 1974 wird der Subventionsbetrug auf der Basis des Verwaltungsstrafrechts verfolgt. Darin steht, dass das zu­ständige Bundesamt ermitteln und beurteilen muss. Das wäre in diesem Fall das BAV.

«BAV hat zu viele Hüte an»

Doch befindet sich das BAV in einem Rollenkonflikt. Es müsste gleichzeitig Klägerin, Untersuchungsbehörde und Richterin sein. Der Interessenkonflikt des BAV stimmt Parlamentarier skeptisch. «Das BAV hat in diesem Fall zu viele Hüte an, deswegen sollte es darin auch nicht ermitteln», sagt die Schaffhauser SP-Nationalrätin Martina Munz. Es gehe nicht, sich selbst zu kontrollieren und allenfalls gegen sich selber zu ermitteln. Dass der Arbeitgeber gleichzeitig auch Aufsichtsbehörde sei, stelle ein Problem dar, das vom Parlament dringend gelöst werden müsse. Munz glaubt nicht, dass sich bei dem buchhalterischen Betrug jemand bereichert hat. Es handle sich vielmehr um einen internen Konflikt. «Als subventionierter Betrieb muss man einen Service public leisten und keinen Gewinn erzielen.» Die Auflagen, die der Postauto AG gemacht wurden, hätten gar nicht eingehalten werden können. Wer auf Subventionen angewiesen sei, von dem könne man nicht einen Überschuss der Erträge verlangen.

Ganz anders sieht es Ständerat Hannes Germann (SH/SVP). Für ihn liegt es im Auftrag des BAV, seiner Pflicht als Aufsichtsbehörde nachzukommen und die Ungereimtheiten zu untersuchen. «Der Fall ist schwerwiegend, daher ist die Bundesbehörde verpflichtet, möglichst rasch für Klarheit zu sorgen.» Aber es sei natürlich nachvollziehbar, dass die «heisse Kartoffel» weitergegeben werde. Zuallererst liegt die Verantwortung aber laut Germann beim Verwaltungsrat der Post. Dessen Präsident Urs Schwaller habe «volle Transparenz» versprochen und sei verpflichtet, alles offen auf den Tisch zu legen. Dass dieser die Expertengruppe leitet, welche die Ereignisse aufklärt, sieht er nicht als Problem. Der Verwaltungsrat und dessen Revisionsstelle hätten Zugang zu allen relevanten Dokumenten und könnten am schnellsten den tatsächlichen Sachverhalt offenlegen. Auch das Parlament verlange Rechenschaft: Die Finanzkommision prüfe im Frühjahr die Staatsrechnung, wo auch die Beteiligungen des Bundes an der Post festgehalten sind. «Es ist auch zu vermuten, dass sich die Geschäftsprüfungskommission einschalten wird, um die Zuständigkeiten zu klären», sagt Germann.

Ein juristischer Spezialfall

Es stellt sich jetzt die Frage, ob das BAV überhaupt das nötige Know-how für diesen juristischen Spezialfall hat. Denn das Bundesamt untersucht hauptsächlich Verstösse gegen die Zulassungsbestimmungen im Strassentransport, so wie etwa bei Lastwagenfahrern ohne Lizenz, und hat keine Spezialisten im Ver­waltungsstrafrecht. Politiker von allen Seiten ­haben Alternativen zum BAV als Ermittlungsbehörde vorgebracht. Man schlug die Finanzkontrolle und das Bundesamt für Justiz vor. Doch Erstere kann kein strafrechtliches Verfahren durchführen, und Zweitere verfügt über kein Spezialwissen im Verwaltungsstrafrecht. Eine akzeptable Lösung scheint die ­Beauftragung von einer unabhängigen Person zu sein, etwa einem kantonalen Staatsanwalt.

Das BAV hat den Skandal Anfang Februar aufgedeckt. Die Postauto AG hat während fast zehn Jahren 78 Millionen Franken zu viel an Subventionen bezogen. Die Firma hat im Regionalverkehr Gewinne gemacht und diese gesetzwidrig in andere Geschäftsfelder umgebucht. Dadurch mussten Bund und Kantone Regionalverkehrsstrecken zu hoch subventionieren. Damit haben die Postautos auf dem Buckel der Steuerzahler Gewinne eingefahren. Die Postauto AG muss die Subventionen jetzt zurückbezahlen.

«Der Fall ist schwer­wiegend, daher ist die Bundes­­behörde verpflichtet, rasch für Klarheit zu sorgen.» Hannes Germann, Ständerat (SH/SVP)