Bei den Schaffhauser Parlamentariern stossen die Vorschläge der Parteipräsidenten nur teilweise auf Verständnis. Thomas Hurter spricht etwa von einem Mischmasch.
Dario Muffler
SCHAFFHAUSEN. Die Parteipräsidenten demonstrierten am Wochenende Einigkeit, indem sie sich in einem Schreiben an den Bundesrat wandten (siehe Artikel oben). Darin forderten die Spitzen der sechs grössten Parteien, dass der Bundesrat die Einreise- und Quarantänebestimmungen anpasse – sprich verschärfe. Es brauche ein umfassendes Grenz- und Testsystem, heisst es im Brief.
Konkret wollen die Parteipräsidenten beispielsweise die Einreisebedingungen vom Herkunftsland abhängig machen. Je nach pandemischer Lage im Land bräuchte es dann einen negativen PCR-Test, um in die Schweiz kommen zu können.
Hurter anerkennt richtigen Ansatz
Dieses Vorgehen erachtet der Schaffhauser SVP-Nationalrat Thomas Hurter als sinnvoll. «Dabei handelt es sich um einen risikobasierten Ansatz», sagt Hurter. Dass negative Tests eine Reisefreiheit mit sich bringen, befürwortet der Linienpilot und Kenner der Flugbranche. «Mit Aerosuisse, dem Dachverband der schweizerischen Luftfahrt, habe ich Bundesrat Alain Berset diesen Vorschlag bereits im April gemacht.» Nur gehört worden sei er nicht, sagt Hurter, der den Verband präsidiert. Es ärgert ihn deshalb etwas, seine Forderungen aus dem Frühjahr nun wiederholen zu müssen: «Ein negativer Test oder der Nachweis einer Impfung soll eine Reisefreiheit ohne Quarantäne ermöglichen.» Dies hatte kürzlich beispielsweise der griechische Premierminister Kyriakos Mitsotakis gefordert. Für ein Impfobligatorium etwa ist Hurter aber nicht. Er sagt aber: «Die Gesundheit steht an oberster Stelle, muss aber auch finanziert werden können.»
Das im Brief der Parteispitzen vorgeschlagene Vorgehen versteht Hurter auch als ersten Schritt in Richtung einer Exit-Strategie. «Wir müssen einen Plan haben, wie wir wieder aus den aktuellen Massnahmen herauskommen, denn das nächste und übernächste Virus wird irgendwann kommen.»
Germann: «Unrealistisch»
Abgesehen von der risikobasierten Einreiseregel kann Hurter dem Brief nicht viel abgewinnen. «Es ist ein Mischmasch von Ideen und damit noch lange keine Strategie», bilanziert er.
Wie Hurter beurteilt auch sein Parteikollege und Schaffhauser Ständerat Hannes Germann das Vorpreschen der Parteipräsidenten kritisch. «Das Schreiben ist für die Galerie», sagt er. «Die Forderungen sind nicht wirklich durchdacht.» Ein umfassendes Testsystem aufzubauen, das zum Teil auch für Grenzgängerinnen und Grenzgänger gelten soll, sei schlicht unrealistisch, sagt der Ständerat. «Vielleicht würde der Kanton Schaffhausen den nötigen Aufwand noch bewältigen können, Basel-Stadt würde es schon nicht mehr schaffen.»
Hurter weist in diesem Punkt auf die Infrastruktur hin, die es für grosse Testkapazitäten brauchen würde. «Schon ein Flughafen hat vielleicht Mühe, sämtliche Passagiere zu testen, obwohl die Infrastruktur dafür teilweise vorhanden wäre. Das Ganze an einer Grenze aufzubauen, wäre noch weniger möglich», sagt er. Germann sagt dazu pointiert: «Es zeigt sich, dass weder Politiker in Bern noch in Zürich wissen, was an der Grenze genau abgeht.»
Munz positiv eingestellt
Während ihre bürgerlichen Parlamentskollegen die Parteipräsidenten und ihren Forderungen überwiegend kritisieren, streicht die Schaffhauser SP-Nationalrätin Martina Munz das Positive heraus. «Es ist gut, dass sich die Parteien gemeinsam auf die wichtigen Linien fokussieren», sagt sie und vergleicht die Situation mit dem Anfang der Pandemie. «Damals waren die Positionen der Parteien auch deckungsgleich, erst im Laufe der Zeit drifteten sie auseinander.»
Sie befürwortet, dass klare Regeln herrschen, wenn es um die Einreise aus dem Ausland geht. «So kann man beispielsweise mit gutem Gewissen einen Verwandten im Ausland besuchen, der vielleicht Pflege braucht.»
Fragen zum Kontrollaufwand
Kritik gibt es auch am vorgeschlagenen Quarantäne-Konzept, wenn kein konkreter Verdacht auf eine Ansteckung besteht. Dieses sieht eine «Quarantäne light» vor, während der es erlaubt sein soll, beispielsweise draussen alleine Sport zu treiben. «Das kann man weder genau feststellen noch kontrollieren», sagt Hurter dazu.
Munz schätzt diese Situation anders ein: «Hier kommt weitgehend die Eigenverantwortung zum Tragen.» Auch aktuell werde die Quarantäne von Kontaktpersonen nur stichprobenartig kontrolliert. «Diese Personen tragen schliesslich keine Fussfessel.»
Der Schaffhauser Ständerat Thomas Minder (parteilos) war gestern für eine Stellungnahme nicht zu erreichen.