[Schaffhauser Nachrichten] «Schwarze Liste» soll verschwinden

Menschen, die ihre Krankenkassenprämien trotz Betreibung nicht bezahlen, landen auf einer «schwarzen Liste». Der Kanton muss die Ausstände zum grossen Teil vergüten. Doch jetzt kommen diese Listen unter Druck.

Mark Liebenberg

Wer Krankenkassenprämien auch nach Betreibungen nicht bezahlt, der hat nur noch im Notfall Anspruch auf Hilfe. Sonst muss er die Behandlungen selber zahlen. Was einen Notfall darstellt, entscheidet ein Arzt. BILD KEY

SCHAFFHAUSEN. Es gibt sieben Kantone, die sie noch führen: Listen mit säumigen Prämienzahlern. Personen also, die ihre Krankenkassenprämien nicht bezahlen, betrieben werden und trotzdem nicht reagieren. In der Regel wird dann ein Verlustschein ausgestellt, und die Person wird vom Kanton auf einer Liste erfasst.

Das hat zwei Auswirkungen: Zum einen übernehmen die Kassen für Menschen, die auf der Liste stehen, nur noch ein reduziertes Angebot, für sie werden nur noch Notfallbehandlungen übernommen. Das heisst, weitergehende Leistungen müssen diese Menschen aus dem eigenen Sack bezahlen. Was ein Notfall ist, entscheidet ein Arzt.

Zum anderen werden die nicht bezahlten Prämienrechnungen – eben die Verlustscheine – nicht einfach abgeschrieben. Die ausstehenden Beträge muss grösstenteils die Allgemeinheit tragen. Der Wohnkanton muss 85 Prozent dieses Betrages übernehmen. Im Jahr 2018 mussten die Kantone mehr als 385 Millionen Franken dafür ausgeben.

Ständerat will ein Verbot der Listen

Nun hat sich die Gesundheitskommission des Ständerates entscheiden, dass diese «schwarzen Listen» abgeschafft werden sollen. Grund unter anderem: Die drastische Massnahme habe keine abschreckende Wirkung und führe zu sozialen Härten. Stattdessen sollen säumige Prämienzahler in einem Modell mit eingeschränkter Wahl der Leistungserbringer versichert werden. Ziel sei, dass alle einen adäquaten Zugang zu medizinischen Leistungen erhalten.

Dagegen gibt es Widerstand aus den Kantonen, die «schwarze Listen» führen – neben Schaffhausen sind dies Thurgau, St. Gallen, Zug, Luzern, Aargau und Tessin. Im Thurgau beharrt man darauf, dass die Listen ein «Erfolgsmodell» seien, so könne man als Kanton ein aktives Case-Management führen und mit den Personen ihre finanzielle und per-sönliche Situation analysieren und verbessern helfen.

Kanton: Jährlich 3 Millionen Franken

In Schaffhausen hat sich die Anzahl der auf der Liste geführten Personen in fünf Jahren mehr als verdoppelt. Nach Auskunft des Sozialversicherungsamts sind es zurzeit 1100 Personen, die ihre Prämienrechnung, die Franchise oder den Selbstbehalt trotz Betreibung nicht bezahlen. Die Ausstände, die der Kanton übernehmen muss, betragen pro Jahr rund 3 Millionen Franken, heisst es im Departement des Innern.

Über Details zu den Personen auf der Liste geben die Behörden keine nähere Auskunft. Jedoch schrieb die Regierung bereits 2018 auf eine Anfrage im Kantonsrat, dass es sich um Personen handelt, «die ihren Lebensunterhalt ohne staatliche Unterstützung bestreiten können, aber offenbar nicht willens sind, ihre Krankenkassenprämie zu bezahlen». Denn anders als der Thurgau führte der Kanton Schaffhausen nie Menschen, welche Sozialhilfe oder Ergänzungsleistungen beziehen, Alleinerziehende mit Erwerbsersatz oder Kinder unter 18 Jahre auf seiner Liste.

Schon vor zwei Jahren zeigte sich die Regierung besorgt, dass über ein Prozent der Schaffhauser Bevölkerung auf dieser Liste geführt werden muss. Andererseits wurden schon bisher Leute, die aus wirtschaftlicher Not zahlungsunfähig wurden, von der Liste genommen und einer staatlichen Unterstützung zugeführt.

Verzögerung «wegen Corona»

An der «schwarzen Liste» festhalten will der Kanton nun aber nicht mehr. Als vergangene Woche die Konferenz der Gesundheitsdirektoren signalisierte, dass sie die Abschaffung der Listen ebenfalls für angezeigt hält, hat der Schaffhauser Gesundheitsdirektor Walter Vogelsanger (SP) nicht opponiert. «Nein, auch der Kanton Schaffhausen trägt die Abschaffung der Listen mit», sagt er. Warum er dies nicht schon längst getan hat, steht auf einem anderen Blatt – und habe mit Corona zu tun, wie Vogelsanger erklärt. «Eine Auslegeordnung zur Revision des Krankenversicherungsgesetzes wurde vorgenommen, wozu auch die Frage der Liste der säumigen Prämienzahler gehörte. Wegen Corona und der übermässigen Belastung des Gesundheitsamts haben sich die Arbeiten jedoch verzögert.» Der Regierungsrat werde jedoch demnächst über die weiteren Schritte befinden und gegebenenfalls damit an den Kantonsrat gelangen.

Wie eine bessere Lösung aussieht, ist zur-zeit noch unklar. Positiv steht Vogelsanger den Vorschlägen der Ständeratskommission gegenüber. «Den Kantonen müsste ermöglicht werden, die Schuldscheine anstelle der Krankenkassen selber zu bewirtschaften. So könnte ein Case Management aufgezogen werden, welches ohne eine Liste funktioniert.»

In der zuständigen Ständeratskommission sitzt auch der Schaffhauser Standesvertreter Hannes Germann (SVP). Er stehe hinter der Stossrichtung einer Standesinitiative des Kantons Thurgau, sagt er. «Mit der angestrebten Neuregelung erhalten die Kantone künftig die Schuldscheine als zentrales Steuerungselement für ihr Case-Management. Dadurch würde sich das Problem mit den Listen von selbst erledigen, zumal die fälligen Krankenkassenbeiträge so oder so durch die Kantone oder Gemeinden beglichen werden.» Sie würden zuständig für das Inkasso, und die Krankenkassen hätten keinen Grund mehr, eine Leistung zu verweigern.

1100 Personen im Kanton Schaffhausen bezahlen trotz Betreibungen ihre Krankenkasse nicht. Sie figurieren auf der «schwarzen Liste» des Kantons und erhalten nur Nothilfe. Nicht auf die Liste kommen etwa Sozialhilfe- oder Ergänzungsleistungsbezüger sowie Kinder unter 18 Jahren.