Schaffhauser Nachrichten: Schweiz soll mehr Syrer aufnehmen

Der Schaffhauser SVP-Ständerat Hannes Germann fordert den Bundesrat auf, das Kontingent für syrische Flüchtlinge aufzustocken. Seine Partei findet das eine schlechte Idee.

Von Sidonia Küpfer

Schaffhausen/Bern: Die humanitäre Lage in Syrien ist verheerend. Nun melden sich Politiker zu Wort, welche vom Bundesrat fordern, mehr syrische Flüchtlinge über ein Kontingent aufzunehmen. An vorderster Front mit dabei ist der Schaffhauser SVP-Ständerat Hannes Germann. «Die Schweiz ist sicher in der Lage, ein grosses Kontingent aufzunehmen – selbstverständlich im Rahmen einer internationalen Aktion», sagte er in der Sendung «Heute Morgen» von Schweizer Radio SRF 1. In der heutigen Sitzung der Aussenpolitischen Kommission (APK) des Ständerates, deren Präsident Germann ist, soll das Aussendepartement über die Lage vor Ort berichten. «Wir müssen uns fragen, wie die Schweiz in diesem Konflikt helfen kann», sagt er gegenüber den SN. Dabei habe die Hilfe vor Ort oberste Priorität; er vertritt aber die Meinung, die Schweiz sollte in Anbetracht des grossen menschlichen Leids zusätzliche Flüchtlinge aufnehmen.

Ein SVP-Vertreter, der Flüchtlinge in die Schweiz holen will – diese Schlagzeile machte gestern Furore. Für Germann ist dies kein Widerspruch: «Dies ist eine Chance, unserer humanitären Tradition Inhalt zu verleihen und den Tatbeweis anzutreten. Das kann man nicht immer nur in 1.-August-Reden tun. Zudem wäre es international ein gutes Zeichen, wenn die Schweiz gegenüber dem UNHCR ihre Hilfsbereitschaft signalisieren würde.» Wohl sei er bei der Ausschaffung krimineller Ausländer oder bei Asylmissbräuchen für eine harte Linie. «Aber gerade damit unsere Asylpolitik glaubwürdig sein kann, muss man solchen ech- ten Flüchtlingen nun tatsächlich auch helfen.» Seine Partei, die SVP, kann dieser Forderung nichts abgewinnen: «Es macht wenig Sinn, zusätzliche Flüchtlinge aufzunehmen, da die Schweiz schon heute im europäischen Vergleich überdurchschnittlich viele Asylbewerber hat. Zudem sind momentan ja auch rund 2800 Personen aus Syrien bei uns im Asylprozess», sagt SVP-Generalsekretär Martin Baltisser. Man müsse diesen Menschen vor Ort helfen. Und: «Zuerst müssen wir das Chaos im Schweizer Asylwesen in den Griff bekommen. Dann gibt es vielleicht auch wieder die Möglichkeit, Kontingentsflüchtlinge aufzunehmen», erklärt Baltisser. Über Germann geärgert habe er sich aber nicht: «Bei uns müssen nicht alle der gleichen Meinung sein.» Die CVP begrüsst den Vorschlag, wie Mediensprecherin Marianne Binder erklärt: «In der momentanen Lage Möglichkeiten zu schaffen, dass mehr Syrerinnen und Syrer in unser Land kommen können, ist in diesem Sinne eine gute Forderung. Dass unsere Kapazitäten aber nicht unbegrenzt sind, ist auch nicht wegzudiskutieren.» Sie gehe mit der SVP insofern einig, als die Schweiz ihr Asylwesen in den Griff bekommen müsse, «um mehr Platz zu schaffen für solche Menschen, die wirklich bedroht sind». Bei der SP rennt Germann offene Türen ein. Nationalrat Andy Tschümperlin (SZ) weist darauf hin, dass er schon im März 2012 den Bundesrat gefragt habe, ob er bereit sei, ein Kontingent syrische Flüchtlinge aufzunehmen: «Wichtig ist, dass wir besonders gefährdete Personen, also Frauen und Kinder, aufnehmen.» Für die FDP sei zentral, dass zuerst vor Ort geholfen werde, etwa mit Flüchtlingslagern im Rahmen der humanitären Hilfe, erklärt Kommunikationschefin Pia Guggenbühl. Denn: «Wir können noch so viele Flüchtling aufnehmen: Die grösste Hilfe erfolgt im Land selber.» Für sie ist denkbar, dass die Schweiz in Zusammenarbeit mit dem UNHCR auf Härtefälle beschränkt Flüchtlinge vorläufig aufnehmen könnte. Der Bundesrat könne das allerdings in alleiniger Kompetenz entscheiden. Auch Germann möchte die Flüchtlinge aus humanitären Gründen lediglich vorläufig aufnehmen und nicht in einem ordentlichen Asylverfahren. Dieses sei sehr aufwendig und teuer. Die Syrerinnen und Syrer sollen nach Beendigung der Krise wieder in ihr Land zurückkehren. «Über diese Kontingente wäre auch gewährleistet, dass die Flüchtlinge von der UNO geschützt würden und auf würdigem Weg in die Schweiz gelangen.» Ansonsten würden viele in die Hände von Schleppern getrieben und bei uns automatisch ins Asylverfahren gelangten. «Vor diesen Tatsachen darf man nicht die Augen verschliessen», fordert Germann.

Schaffhausen Gemäss dem Kantonalen Sozialamt sind in Schaffhausen 29 Personen aus Syrien erfasst. Die meisten sind männlich, Asyl suchend und mit Muttersprache Kurdisch. Einer von ihnen ist Ciwan. Weil er Angst vor Sympathisanten der Islamisten in der Schweiz hat, will der junge Mann nicht mit seinem richtigen Namen genannt werden – Ciwan ist ein Pseudonym.

Seit mehr als einem Jahr ist Ciwan in Schaffhausen. «Alle sind sehr nett. Sie helfen mir, zum Beispiel in der Schule und bei der Wohnungssuche», sagt er. Zu Hause sei die Situation sehr schlimm. Ciwan habe vor Kurzem mit seiner Mutter in seiner Heimatstadt Derik telefoniert. Seine Familie habe kein Essen. Deshalb könne er nicht mehr gut schlafen, die Konzentration in der Deutschstunde falle schwer. Islamisten würden aus der ganzen Welt in seine Heimat strömen, weil sie dort einen Gottesstaat errichten wollten – ohne Kurden und Christen. «Sie kommen von überall her und machen Dschihad in meinem Land», sagt Ciwan. Die Islamisten würden alle Menschen töten, die nicht wie sie seien. «Es ist den Islamisten egal, ob ihre Opfer Alte, Frauen oder Kinder sind», sagt er. Die Gotteskrieger würden sich in seiner Heimat neunjährige Mädchen gegen deren Willen als Frau nehmen. Bereits vor dem Krieg sei Syrien für ihn ein schlechtes Pflaster gewesen. Die Schuld gibt er Assad, dessen Baath-Partei und der Volksgruppe, aus welcher der Präsident Syriens stammt, den Alawiten. Diese üben als Minderheit seit Jahrzehnten die Macht in Syrien aus. «Als Kurde hat man keine Rechte», beklagt sich Ciwan. Er sei diplomierter Automechaniker, aber wegen seiner Herkunft habe er keine Stelle erhalten. «Assad ist schlechter als die Islamisten», sagt er und verweist auf die vielen Toten, die der Präsident zu verantworten habe. Ciwan versteht die Welt nicht mehr: «Assad ist Arzt und hat Kinder. Wie kann er so etwas tun?» Ciwan würde ein Eingreifen der USA in Syrien begrüssen. Er befürchtet sonst ein Ausweiten der Giftgasangriffe. Wegen Assad und der Islamisten seien bereits zu viele Menschen gestorben. (taz)