Schaffhauser Nachrichten: «Tendenziell zahle ich am liebsten der Gemeinde»

Der Schaffhauser SVP-Ständerat Hannes Germann engagiert sich für das Steuerpaket, über das am 16. Mai abgestimmt wird. Wenn er sich gegen die eigene Regierung stellt, hat er die Prosperität des Kantons im Auge, zumal die Exekutive bereits selber Steuern senken will. Und warum soll der Bund nicht auch diesen Weg beschreiten dürfen, den die Kantone zu gehen bereit sind, meint er.

Interview: Hans Wicki

Schaffhauser Nachrichten: Wie gerne zahlen Sie Steuern?
Hannes Germann: Wahrscheinlich geht es mir wie allen; auch ich zahle nicht gerne Steuern, sehe aber ihre Notwendigkeit ein. Tendenziell zahle ich am liebsten für die Gemeinde, dann für den Kanton; insgesamt jede Föderativstufe nach oben abnehmend begeistert.

Für was möchten Sie das Geld am ehesten ausgeben, für was am wenigsten?
Germann: Für alle staatlichen Leistungen, die direkt den Leuten zugute kommen, und hier vor allem, wenn es Investitionen mit Zukunftscharakter sind. Dazu gehört insbesondere die Bildung, weil hier der Gegenwert in Form von Leistung in der Wirtschaft zurückkommt; das wirkt sich dann auch beim Staat aus. Auch Infrastrukturaufgaben müssen finanziert werden; diese sind lebensnotwendig und daher auch unbestritten. Am wenigsten gern sehe ich das Geld in bürokratische und daher zweifelhafte Projekte fliessen. Allein auf Bundesebene werden unzählige Studien gemacht oder Hochglanzberichte erarbeitet. Hier fragt man sich zuweilen, wem das eigentlich dienen soll.

Das Steuerpaket, über das am 16. Mai abgestimmt wird, soll vor allem Ehepaare und Familien entlasten und Wohneigentum fördern. Ist das Ziel mit der Vorlage zu erreichen?
Germann: Absolut. Die Familien werden gezielt entlastet. Im Vordergrund steht aber, die krasse Ungleichbehandlung der Ehepaare gegenüber den Konkubinatspaaren zu beseitigen. Man muss heute als Ehepaar mit Kindern teilweise mehr als doppelt so viel bezahlen. Das ist ein Affront gegen die Institution Familie; das ist ungerecht, ja unerträglich. Man hat darüber hinaus auch Abzugsmöglichkeiten für Alleinerziehende geschaffen. Zudem können künftig die tatsächlich erbrachten Aufwendungen für Drittbetreuung für Kinder abgezogen werden. Generell werden die Kinderabzüge massiv von 5600 auf neu 9300 Franken erhöht. Man zeigt damit, dass man die Erziehungsarbeit und die Kosten, die Kinder verursachen, anerkennt.

Aber die wenigsten Familien verdienen mehr als 80 000 Franken. Also doch ein Steuergeschenk an die Besserverdienenden?
Germann: Nein, eine überfällige Entlastung des Mittelstandes. Gerade der Mittelstand litt unter dem explosionsartigen Staatswachstum in den Neunzigerjahren besonders stark. Also jene, die keine Sozialhilfe oder Prämienverbilligungen erhalten und gleichzeitig auch nicht Grossverdiener sind. Das ist die Mehrzahl aller Menschen in diesem Land. Die Gegner der Vorlage sprechen – jedenfalls, wenn es um die steuerlichen Entlastungen geht – immer nur von den Erleichterungen bei der Direkten Bundessteuer. In Tat und Wahrheit entfaltet das Steuerpaket seine volle Wirkung erst bei der Umsetzung durch die Kantone. Der Kanton Thurgau will das Steuerpaket des Bundes ungeachtet des Abstimmungsergebnisses umsetzen. Die Thurgauer Regierung hat rasch und prospektiv gehandelt. Dabei zeigt sich eindrücklich, dass dann Einkommen zwischen 40 000 und 90 000 Franken pro Jahr in den Genuss besonders wirksamer Steuererleichterungen auf Kantons- und Gemeindeebene kommen. Die Kraft und der grosse Nutzen des Steuerpakets liegen in der Umsetzung der Kantone.

Wird das Ziel beim Wohneigentum – auch ein Teil der Vorlage – ebenfalls erreicht?
Germann: Davon bin ich persönlich überzeugt. Fest steht, dass der Eigenmietwert sehr umstritten und oft Anlass für gerichtliche Auseinandersetzungen ist, wo es unter dem Strich meines Erachtens nur Verlierer gibt. Darum waren sich eigentlich alle, auch die Kantone, einig, dass der Eigenmietwert weg muss. Nun liegt ein Modell vor, von dem ich glaube, dass es die nötigen Anreize bietet, Wohneigentum nicht nur zu erwerben, sondern auch zu amortisieren. Also die Schulden zu reduzieren oder ganz abzuzahlen. Steuerlich begünstigt wird nicht mehr das Schuldenmachen, sondern die Bildung von Eigentum. Dies ist insbesondere für die Altersvorsorge sehr wertvoll. Denn gerade Leute, die in den eigenen vier Wänden leben, werden kaum je sozialhilfeabhängig. Das ist auch im Interesse der Gemeinden.

Wie sinnvoll ist das Bausparen?
Germann: Mit dem Bausparen ermöglicht man den vielen Mieterinnen und Mietern gezielt, dass sie schon in jungen Jahren Rücklagen bilden können. Man spart steuerbegünstigt, um dann gezielt in Wohneigentum (Eigentumswohnung, Einfamilienhaus) zu investieren. Ob das Bausparmodell, gepaart mit dem Systemwechsel, sich bewährt, wird erst die Praxis zeigen. Aber eines ist sicher, wenn es keine oder auch nicht die erhoffte Wirkung zeitigt, dann gibt es auch nicht die für den Staat befürchteten Ausfälle. Wirkt es jedoch, dann gibt es wertvolle Impulse gerade für die Bauwirtschaft. Ein Blick nach Baselland lohnt sich. Hier brachte das System des Bausparens zwar einen Steuerausfall von jährlich etwa 4 Millionen Franken, löste im Gegenzug aber Investitionen von jährlich gegen 130 Millionen aus.

Man hat beim Systemwechsel versprochen, dass der Eigenmietwert gestrichen werde und dafür die Hypozinsabzüge wegfielen. Nun bleiben auch Renovationen über 4000 Franken abzugsfähig. Ist das nicht eine krasse Bevorzugung von Vermögenden?
Germann: Das sehe ich anders. Längst nicht alle, die Wohneigentum erwerben, sind a priori vermögend. Sie sparen anderswo und setzen ihre Prioritäten anders als jene, die ihr Geld vollumfänglich für Ferien, Auslandsreisen oder Luxusgüter ausgeben. Bis jetzt konnten einfach alle pauschal 4000 Franken abziehen. Das ist nicht effektiv. Nun hat man den Spiess umgedreht. Wer grössere Unterhaltsleistungen ans Gewerbe vergibt, darf diese von den Steuern abziehen. Eine Küche ersetzen, Böden und Fenster oder ein Bad renovieren: Das sind Investitionen, die in der Regel höher sind als 4000 Franken – egal, ob Eigentumswohnung oder Villa. Dank der wirtschaftlichen Impulse erhält der Staat über die verschiedenen Steuerquellen jenes Geld zurück, mit dem er seine Aufgaben erfüllen kann. Wir wollen, dass künftig nur mehr das von der Steuer abgezogen werden kann, was effektiv über Aufträge an das Gewerbe in die Wirtschaft investiert worden ist.

Sie sind Gemeindepräsident. Wo sind Sie derzeit am meisten gefordert? Wo trifft Sie die neue Vorlage, so sie durchkommt, am härtesten?
Germann: Gefordert sind wir als Gemeinden an vielen Fronten. So läuft derzeit eine Strukturreform. Diesen Prozess möchten wir aktiv gestalten, damit die Gemeinden in Zukunft wieder mehr Spielraum erhalten; das läuft aber unabhängig vom Steuerpaket. Ich sehe das Steuerpaket mit mehr Steuergerechtigkeit und moderaten Steuererleichterungen ohnehin primär als Wachstumspaket. Bereits ist zu sehen, wie etwa in Zug, Schwyz, Baselland oder auch im Tessin trotz moderater Steuersenkungen die Einnahmen steigen. Staaten wie Neuseeland, Kanada, Grossbritannien oder Irland ist es seit 1990 gelungen, die Staatsquote massiv zu reduzieren. Und ausgerechnet sie sind es, die sich über das stärkste Wachstum freuen und – wie Grossbritannien – die Arbeitslosigkeit massiv reduzieren konnten. Wir sollten die Steuererleichterungen also als positive Herausforderung annehmen. Man darf nicht den Leuten den Mumm nehmen; vielmehr müssen sie sehen, dass ihnen bei einem Mehrverdienst auch mehr bleibt. Sonst greift ein minimalistisches Denken um sich. Das wäre fatal für unser Land.

Die Schaffhauser Regierung lehnt die Vorlage ab und will bei einer Annahme Kürzungen etwa im Bildungs- und Verkehrsbereich vornehmen. 
Germann: Der Staat muss sich nun, wie die Privaten das seit Jahren tun müssen, nach der Decke strecken. Man muss vielleicht die Leute fragen, ob sie in den letzten zwölf Jahren auch 50 bis 70 Prozent mehr verdient haben; um so viel sind nämlich die Staatseinnahmen gestiegen, und ohne Gegenmassnahmen werden sie weiter um 4 bis 5 Prozent jährlich steigen; also doppelt so stark, wie die Wirtschaft wächst. Das ist auf Dauer tödlich für die Wirtschaft und die Steuerzahlenden. Und wenn sie sich solches vor Augen halten, merken sie, dass die maximal 2,7 Prozent Mindereinnahmen das staatliche System nicht wirklich erschüttern können. Es ist das Recht oder die Pflicht des Regierungsrates, auf mögliche Auswirkungen aufmerksam zu machen. Drohungen sind jedoch eine unzulässige Angstmacherei. Das Bundesparlament hat schliesslich klar entschieden, dass im Bildungsbereich sogar stärker als bisher investiert wird. Die Sparanstrengungen im Sozialbereich sollen Anreize für die Betroffenen schaffen, aus der Abhängigkeit wieder herauszukommen. Das geht aber nur, wenn die Wirtschaft floriert. Und genau das wollen wir mit dem Steuerpaket: zusätzliche konjunkturelle Impulse durch das zusätzliche Geld, das die Leute im Sack haben und investieren, sei es durch Konsum oder eben durch den Erwerb von Wohneigentum.

Müssten Sie als Gemeindepräsident nicht die Vorlage ablehnen, damit der Geldfluss für die Gemeinde nicht kleiner wird?
Germann: Das ist eine allzu kleinliche und kurzsichtige Betrachtungsweise. Die Gemeinden haben noch immer, wie die Kantone übrigens auch, davon profitiert, wenn die Wirtschaft läuft, wenn Geld da ist für den Konsum und Investitionen. Statt der bisherigen Igelstrategie gilt es, eine dynamische Vorwärtsstrategie anzuwenden. Davon profitieren nicht nur die Leute, sondern auch Bund, Kantone und Gemeinden.

Der Regierungsrat will zwar Steuern senken; doch nun kommen ihm das Steuerpaket und die Sparprogramme des Bundes in die Quere. Soll er einfach das Tempo verlangsamen und trotzdem weitermachen?
Germann: Ja, weitermachen und, falls nötig, das eigene Senkungsprogramm zu Gunsten von mehr Steuergerechtigkeit für Familien zeitlich strecken. Ich habe keinen Grund, an der notwendigen Flexibilität der Schaffhauser Regierung zu zweifeln. Natürlich habe ich Verständnis dafür, dass sie wenig erfreut ist, dass der Bund Sparmassnahmen einleitet. Diese sind aber nötig, wenn wir die Staatsquote endlich stabilisieren wollen. Unser Land steht im gnadenlosen globalen Wettbewerb. Steuersenkungen sind ein Mittel, die Attraktivität als Investitionsstandort zu sichern. Die Schaffhauser Regierung soll in den nächsten Jahren die Steuern schrittweise ebenfalls senken können, aber bitte in einem gerechteren Steuerumfeld. Warum soll das, was Regierung und Kantonsrat als richtig erachten, nicht auch für den Bund richtig sein?

Die Regierung ist gegen die Vorlage, Sie sind dafür. Bringt Sie das als Standesvertreter nicht in einen Gewissenskonflikt?
Germann: Als ich mich im Ständerat für das Steuerpaket entschieden habe, durfte ich guten Gewissens davon ausgehen, dies im Einklang mit der Schaffhauser Regierung zu tun. Ich bedaure, dass die Schaffhauser Regierung, nachdem alles entschieden war, einen völligen Sinneswandel vollzogen hat. Die Kantonsregierungen, auch die Schaffhauser, waren in der Vernehmlassung für den Familienteil, die wirtschaftlich wichtige Aufhebung des Stempels und grundsätzlich auch für den Systemwechsel beim Wohneigentum. In der Einigungssitzung der beiden zuständigen Ratskommissionen wurde die Vorlage beim Wohneigentumsteil nochmals verändert, sodass sich die Kantone dann plötzlich in ihrer Steuerhoheit übergangen fühlten. Für den Unmut in dieser Beziehung habe ich Verständnis; nicht aber dafür, dass sie deswegen bereit sind, das ganze Paket zu opfern. Immerhin hat ja das für die Verfassung zuständige Volk als höchste Instanz in diesem Land nun das letzte Wort. Es kann und soll entscheiden, ob wir durch eine verträgliche Schlankheitskur beim Staat wieder zu alter Wettbewerbsstärke zurückfinden – oder weiter steigende Steuern und Abgaben wollen. Das ist ein Affront gegen die Institution Familie, das ist ungerecht, ja unerträglich