Schaffhauser Nachrichten: Wenn das Aromat unschweizerisch würde

Mit der Swissness-Vorlage will der Bundesrat die Marke Schweiz besser schützen. Die Art und Weise stösst bei den Lebensmittelproduzenten – wie der Unilever in Thayngen – aber auf Widerstand.

von Doris Kleck

Der rote Knorrli mitsamt Schweizer Kreuz ziert den Grossteil der Produkte von Knorr in den Regalen der Grossverteiler, nämlich all jener, die Unilever in Thayngen exklusiv für den Schweizer Markt produziert. Der Knorrli verspricht auf den Verpackungen Schweizer Qualität – noch darf er das. Geht es nach dem Bundesrat, ist dies aber bald Vergangenheit: «Nur wenige unserer rund 600 Produkteinheiten von Knorr erfüllen die Kriterien für die Benutzung der Herkunftsangabe Schweiz, wie sie der Bundesrat in seiner Swissness-Vorlage aktuell vorsieht», sagt Markus Abt, Kommunikationsverantwortlicher von Unilever Schweiz.

Genügend Rohstoffe? 
Das Ziel des Bundesrates ist wenig bestritten: Der (finanzielle) Mehrwert der Marke Swissness soll nachhaltig gesichert und Missbrauch verhindert werden. Dazu will der Bundesrat den Schutz der Herkunftsangabe «Schweiz» verstärken. Oder anders ausgedrückt: Wo Schweiz draufsteht, soll auch Schweiz drin sein. Was banal klingt, ist in der Praxis nicht ganz einfach. So stellt sich beispielsweise die Frage, ob ein Salat, der in der Schweiz geerntet wird als Schweizer Produkt gilt, auch wenn der Setzling aus den Niederlanden kommt. Gemäss der Swissness-Vorlage ist diese Frage mit Ja zu beantworten. Bei Naturprodukten ist die Angelegenheit denn auch nicht gar so diffizil. Schwierig wird die Sache bei verarbeiteten Naturprodukten, allen voran Lebensmitteln. Neu müssten 80 Prozent der Rohstoffe aus der Schweiz stammen, um als Schweizer Produkt zu gelten. Zu viel sei das, sagt Markus Abt. Knorr-Produkte wie das Aromat oder die Basler Mehlsuppe würden demnach nicht mehr als Schweizer Produkt durchgehen, obschon sie in Thayngen nach Schweizer Rezeptur produziert werden. Der Grund: Zahlreiche Rohstoffe für Suppen, Bouillon oder Würze seien in der Schweiz gar nicht in genügender Menge erhältlich. «Die Schweiz hat zwar ein qualitativ hochstehendes Angebot an Frischgemüse, nicht aber an getrocknetem Gemüse, Kräutern oder Gewürzen», sagt Abt. Unilever setzt sich deshalb im laufenden Gesetzgebungsprozess dafür ein, dass vollständig in der Schweiz hergestellte Lebensmittel weiterhin als schweizerisch vermarktet und dass das 80-Prozent-Rohstoff-Kriterium durch eine alternierende 60-Prozent-Regelung ersetzt wird. Entweder sollen 60 Prozent der Rohstoffe aus der Schweiz stammen oder 60 Prozent der Wertschöpfung hierzulande anfallen, damit ein Produkt als schweizerisch gilt. 60 Prozent der Wertschöpfung – diese Regelung sieht die Swissness-Vorlage im Übrigen auch für die Industrieprodukte vor. Abt spricht deshalb von einer Diskriminierung der Lebensmittelindustrie. Diesen Vorwurf lässt Felix Addor, Stellvertretender Direktor des Instituts für Geistiges Eigentum – der federführenden Bundesbehörde bei der Swissness-Vorlage –, nicht gelten. Er begründet das unterschiedliche Kriterium mit den Stellungnahmen aus dem Vernehmlassungsverfahren sowie damit, dass die Konsumenten höhere Erwartungen an Lebensmittel hätten. «Bei einem Mixer ist es ihnen egal, woher der Stahl kommt», sagt Addor. Bei Lebensmitteln spielten hingegen die Herkunft der Rohstoffe und der Produktionsstandort eine wichtige Rolle. Die 80-Prozent-Regel ist allerdings nicht sakrosant, sie beinhaltet auch Ausnahmeregeln. So werden Rohstoffe, die in der Schweiz nicht erhältlich sind – wie zum Beispiel Kakao für die Schokolade –, von der Regelung ausgenommen. Dasselbe gilt, wenn ein Rohstoff temporär nicht verfügbar ist, zum Beispiel Rindfleisch wegen des Rinderwahnsinns. Und drittens können auf Antrag und Vorentwurf der Branchen Verordnungen erlassen werden, die all jene Rohstoffe aufführen, welche in der Schweiz nicht in genügender Menge erhältlich sind: «In diesem Fall müssen die Lebensmittelhersteller nur 80 Prozent der verfügbaren Menge aus der Schweiz beziehen. Ungenügende Rohstoffmengen werden also nur anteilsmässig berücksichtigt», sagt Felix Addor und will damit die Bedenken der Lebensmittelindustrie ausräumen. Wenig hält er im Übrigen von einer alternierenden Regelung wie sie Unilever vorschwebt: «Am Schluss kommt so jedes Produkt auf irgendeine Weise zum Schweizer Kreuz.»

Sorge um den Werkplatz
Markus Abt hält denn auch fest, dass Unilever den Vorteil «Schweiz» keinesfalls aufs Spiel setzen möchte. Dabei geht es für Unilever Schweiz um die Vermarktung, das Ganze hat aber noch eine andere Komponente: «Unilever Schweiz ist Teil eines internationalen Konzerns. Wenn wir Knorr-Produkte nicht mehr als schweizerisch vermarkten können, wird es für den Standort Thayngen entsprechend schwieriger, sich international zu behaupten.» Die Sorge um den Werkplatz, davon spricht auch der Schaffhauser Ständerat Hannes Germann. Als Verbandspräsident der Schweizer Gemüseproduzenten hat er zwar ein Interesse daran, dass die Kriterien für die Herkunftsangabe hoch angesetzt sind. Dennoch: Auch die Landwirtschaft und die Gemüseproduzenten seien auf eine starke verarbeitende Nahrungsmittelindustrie angewiesen. Es brauche deshalb eine Güterabwägung zwischen dem Schutz der Marke Schweiz und guten Bedingungen für den Werkplatz Schweiz.