Der Bund hat der Wirtschaft 42 Milliarden zugesprochen. Das Paket ist ebenso beispiellos wie die Krise, welche die Schweiz eingeholt hat. Doch was taugen die Massnahmen? Der Schaffhauser SVP-Ständerat Hannes Germann nimmt Stellung.
Reichen die insgesamt 42 Mrd. Franken, die der Bundesrat heute beschlossen hat, um die wirtschaftlichen Folgen zu lindern?
Hannes Germann: Für die vom Bundesrat angesprochenen nächsten zwei Monate auf jeden Fall. Wie es danach weitergehen soll und ob es mehr Mittel braucht, muss man fortlaufend prüfen.
Welches der Massnahmen ist für Sie das zentralste Element?
Germann: Dass die Liquidität mit 20 Milliarden gesichert ist. Denn durch den Fast-Stillstand kommen jetzt alle Unternehmen in Schwierigkeiten. Besonders erfreulich ist die Tatsache, dass die Selbständigerwerbenden wie Einzelunternehmer oder Inhaber von GmbH ebenfalls abgesichert sind. Sie sind von der Krise besonders betroffen – und die Schweiz ist ein KMU-Land.
Banken sollen Firmen jetzt Kredite erleichtert abgeben. Welchen Zins sie verlangen dürfen, das wollte Bundesrat Maurer nicht präzisieren. Er spricht von einem minimen Betrag. Wie hoch darf der Zins sein?
Germann: Das kann ich auch nicht sagen. Hier geht es in erster Linie darum, dass Coronavirus-geschädigten Firmen möglich rasch und günstig geholfen wird. Aber das entbindet keine Bank davon, dass sie auch die Risiken beurteilen muss.
Aber der Bundesrat will, dass Banken die Wirtschaft mit Krediten unterstützen.
Germann: Nein, das müssen sie nicht. Es wäre jedoch eine Chance für die Banken. Sie haben auch ein Interesse, dass die Unternehmen liquid und produktiv bleiben und die Schweizer Wirtschaft nicht in eine Rezession schlittert. Der Bund bürgt vollumfänglich für Kredite bis 500 000 Franken und ist darum ein wichtiger Partner. Gleichwohl entbindet das die Banken nicht von der üblichen Sorgfaltspflicht. Da Bundesrat Maurer aber sagte, dass dieses Vorgehen mit der Aufsichtsbehörde Finma abgesprochen sei, gehe ich davon aus, dass sie die Konditionen mitbestimmen. Die Banken müssen risikogerechte Zinsen erheben. Bis 500 000 Franken dürften die Kredite aber besonders günstig sein.
Doch ist eine halbe Million nicht etwas knapp?
Germann: Der Bundesrat will seine Mittel ideal einsetzen. Die Massnahme hat zum Ziel, dass ein Betrieb seine Geschäftstätigkeiten weiterführen kann. Für ein kleines Unternehmen ist eine halbe Million als Liquiditätshilfe viel Geld.
Erste Stimmen kritisieren, dass 40 Milliarden zu wenig seien. Tatsächlich hat der Bund die Banken in der Finanzkrise mit 60 Mrd. unterstützt. Die ETH fordert mit 100 Milliarden jetzt sogar das Doppelte.
Germann: Die Rettung der UBS ist mit den heutigen Massnahmen absolut vergleichbar. Es hätte der Schweiz geschadet, wenn dieses globale Unternehmen Pleite gegangen wäre. Aber es erholte sich, und die Investition war für den Bund letztlich ein Gewinngeschäft. Jetzt retten wir ebenfalls Unternehmen, darunter viele KMU, damit sie produktiv bleiben können. Aber ein Geschenk sind solche Massnahmen nicht. Müssten die Betriebe schliessen oder die Angestellten zum Arbeitsamt, käme das die Schweiz unter dem Strich teurer
Kommt diese Soforthilfe für die Betriebe nicht zu spät? Anfang Woche verärgerte die Staatssekretärin des Seco Marie-Gabrielle Ineichen-Fleisch viele Gewerbler, weil sie vor den Medien nicht sagen konnte, wohin sich Selbständigerwerbende für Hilfe wenden sollen.
Germann: Man sollte nicht vor die Medien treten, wenn man nichts zu sagen hat. Selbst wenn es mir auch etwas zu lange ging: Wir haben jetzt ein gutes Paket. Der Auftritt der Bundesräte war glaubwürdig und überzeugend. Lieber diese Lösung als ein Schnellschuss. Man muss alles versuchen, um eine schwere und lang anhaltende Rezession zu verhindern. Nun ist es am Kanton Schaffhausen, ergänzend einzugreifen. Die Regierung hat die richtigen Zeichen gesetzt, bleibt aber gefordert mit den Grenzgängern und dem Warenfluss zwischen den Ländern.
Der Bundesrat hat auch Massnahmen für die Baustellen beschlossen. So sollen Firmen das «Social Distancing» gewährleisten, sonst werden sie geschlossen. Ist das ein Sieg der Gewerkschaften, die die Arbeitsbedingungen kritisierten?
Germann: Es ist ganz eindeutig ein Sieg der Vernunft. Gewisse Gewerkschafter haben die Krise als Trittbrettfahrer genutzt. Ziel ist es doch, dass die Wirtschaft – unter Einhaltung der strengen Vorgaben – möglichst effizient weiterarbeiten kann.
Bundesrat Guy Parmelin war in den letzten Tagen wenig präsent, ausgerechnet in einer der grössten Krisen der Schweiz.
Germann: Das ist aufgefallen, ja. Wer aber an der Pressekonferenz auftritt, bestimmt der Gesamtbundesrat. Man kann es auch so sehen: Prioritär geht es um den Schutz und die Gesundheit der Menschen, dann kommt die Wirtschaft.
Jeder Schweizer soll 1000 Franken erhalten, fordert der Westschweizer Michaël Malquarti. Der Vorschlag wird vom Dachverband Handel Schweiz befürwortet. Was halten Sie davon?
Germann: Das schlagen andere Staaten wie Singapur, Hongkong oder die USA vor. Das käme in der Bevölkerung sicher gut an. Aber die Krise ist nicht da, um die Leute zu beschenken. Helikopter-Geld kann dann sinnvoll sein, wenn es die Nachfrage steigern kann. Der Zeitpunkt ist jetzt noch zu früh. Falls überhaupt, sollten nur die Schwächsten in unserer Gesellschaft davon profitieren.
Als nächster Schritt wird das Parlament einbezogen und die Finanzdelegation der Eidgenössischen Räte (FinDel) über das Massnahmenpaket befinden. Doch wie soll das gehen, wenn das Parlament wegen des Virus nicht tagt?
Germann: Wichtig ist, dass die Mitglieder der FinDel rasch entscheiden. Das Parlament muss aber auch in Krisenzeiten funktionsfähig bleiben und entscheiden können. In Spitälern und Pflegeheimen wird auch gearbeitet – trotz und gerade wegen des Coronavirus. Warum sollten Bevölkerung und Wirtschaft dies nicht auch von der Politik erwarten können?
Interview: Andrea Tedeschi